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Generation Twen

■ Erstmals in ihrer Geschichte ändert die Neue Weserburg einen Teil ihrer Dauerausstellung. Mit Björn Lafrenz (29) und Rik Reinking (25) zieht eine neue Sammlergeneration ein, die ihre Altersgenossen im Blick hat

„Aktive Kunst“ will man. Nicht „kunsthistorisch Abgelegtes“. Deswegen ist man Sammler seiner Zeitgenossen. Oder Museumsmensch in der Neuen Weserburg.

Jetzt ist die Dauerpräsentation der Weserburg erstmals seit Bestehen in größerem Stil geändert worden. Über eine halbe Etage erstreckt sich nun eine Mischung aus alter Sammlung Lafrenz und den neuen Werken von Björn Lafrenz und Rik Reinking – zwei Twens aus Hamburg.

Björn Lafrenz ist (unter anderem) Erbe. Erbe von Klaus Lafrenz, dessen Sammlung (viel Minimal und Concept Arte, auch Arte Povera) Ende der 80er – zusammen mit der von Anna und Gerhard Lenz – der Pate bei der Gründung der Weserburg stand. Jetzt tritt der Sohn in die Fußstapfen. Aber wie kam Reinking dazu, Sammler zu werden?

Rik Reinking fing an, als die anderen fast noch Briefmarken tauschten. Mit 16 schaffte er sich seinen ersten Janssen an, dann ging es über Fluxus und Informel immer weiter in Richtung seiner Altersgenossen. Ansonsten studiert er Jura und Kunstgeschichte. Auch Reinking kommt aus einem kunstnahen Elternhaus („ich kannte es schon, dass zu Hause Bilder an der Wand hängen“), aber die Leidenschaft musste alleine wachsen. Reinking nennt sich einen „stillen Sammler“. Nicht einmal seine Kunstgeschichtskommilitonen wissen davon – schließlich wolle er nicht als Sonderling gelten.

Tja. Sammler sind aber welche. Reinking: „Das ist wie eine Krankheit, die immer schlimmer wird.“ Positiv gesagt: „Man wird ganz Auge“.

Reinking ist einer, der nichts verkauft, dafür vor jeder Erwerbung genauestens mit sich zu Rate geht. „Ich habe immer zwei, drei Kunstwerke, mit denen ich schlafen gehe und aufwache.“ Um rauszukriegen, ob die Arbeit „wirklich so gemeint ist, wie ich sie verstanden habe.“

Zum Beispiel „Die Leiden des jungen W.“, die Reinking jetzt in die Weserburg gebracht hat: Ein Stethoskop lauscht in ein Aquarium hinein, das Publikum am anderen Ende des Hörgeräts hat Goethe im Ohr. Mit Zitaten der Bedrängnis, des Untergehens. Direkt daneben lässt Tibor Claassen seine Selbstbildnisse in Wassergläsern verschimmeln. Die Fotografien lösen sich bis zur Unkenntlichkeit auf. Tibor Claassen beschreibt den Prozess: „Es wirkte ein wenig wie eingelegte Kinderköpfe.“

Dann gibt es in der Sammlung Reinking auch Matthias Bertholds siebbedruckte Holzkästen. Auf ihnen stehen vier „Anweisungen“, zu deren Ausführung sich der erwerbende Sammler vertraglich verpflichten musste. Ein Fenster mit Wachs überziehen, sich von der Lieblingsvorstellung verabschieden. Ein guter Sammler lebt also nicht nur mit, sondern auch nach seinen Kunstwerken. Nur von der fünften Anweisung hat sich Reinking entbinden lassen: „Fertigen Sie eine genaue Liste Ihres Besitzes an. Ordnen Sie die Gegenstände alphabetisch. Jeden dritten Gegenstand zünden Sie an.“

Ein zweifelhafter Rat für die Sammler. Schließlich gibt es ja noch ein altruistisches Motiv für die Leidenschaft: Man wolle „was tun für die Künstler“, die oft genug auch zum engen Freundeskreis gehörten. Aber wie geht so was finanziell, ohne Eltern und Lotto? Reinking: „Ich habe kein Auto, gehe selten aus und gucke lieber fünf Stunden ein Bild an als in den Fernseher.“ Und im übrigen könne man eine gute Zeichnung von jungen Künstlern schon für 50 Mark kriegen.

Für die Weserburg bedeutet der Einzug der jungen Sammler einen Zeitsprung. Es ist ein Generationswechsel. Mit den Turnschuhsammlern kommen die KünsterlerInnen mit der Zwei im Alter zu musealen Ehren. Die Etablierten der zeitgenössischen Kunst werden mit ganz Jungen wie dem 28-jährigen Braunschweiger Tibor Claasen oder Kenichirou Taniguchi aus Japan (25) konfrontiert. Bisher waren die Zeitgenossen der Jahrgänge 1920 bis 1940 in der Weserburg – abgesehen von Wechselausstellungen – unter sich.

Andererseits: Mit Björn Lafrenz wird es keinen wirklichen Bruch in der Sammlungstradition geben. Als Ältester der vier Lafrenz-Kinder hat er – zwei Jahre nach Klaus Lafrenz' Tod – die Fortführung der Sammlung „im Sinne der Familie“ übernommen, ist dabei, sich „in die neue Rolle hineinzudenken“. Schon sein Vater hatte nicht primär Werkgruppen gesammelt, sondern die Einzelwerke verschiedener KünstlerInnen gemischt gezeigt. Auch in der „alten“ Sammlung Lafrenz hängen Arbeiten aus den 70ern ganz aktueller Kunst gegenüber.

Für die Ausstellung der Söhne-Generation gibt es eine Videobox, in der die alten und neuen Bestandteile der Sammlung als Bildkarten stecken. Das mediale Design dieses „Kataloges“ hat auch konzeptionellen Gebrauchswert: Ganz wie ein Sammler sollen sich die Boxerwerber ihre Kunstwerke persönlich zusammen- und gegenüberstellen können.

Die Sammlerfreundschaft Lafrenz/Reinking besteht seit zwei Jahren. Sie planen weitere Projekte wie ein mobiles Container-Museum in der Hamburger Hafen-City, gerade haben sie auch ein gemeinsames Depot mit 35 Quadratmetern angemietet. Reinkings Wohnung ist bei aller Liebe zum Leben mit der Kunst offenbar zu eng geworden. Und trotzdem fällt das Deponieren und Ausstellen der erworbenen Werke schwer. Reinking, ganz leidenschaftlicher Sammler: „Dass tut mir weh, dass Sie nicht mehr bei mir Zuhause sind.“ HB

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