piwik no script img

Hoch lebe die Leberwurst!

■ Gunter Gerlachs Show „Immer Essen“ im Neuen Cinema

Mareike hat gewonnen. Vier Stück Torte und vier Würstchen hat sie während der dreistündigen Show verdrückt. Fürs Guinessbuch der Rekorde reicht das nicht. Aber immerhin schlägt sie ihre Konkurrentin um satte zweieinhalb Würstchenlängen. Dafür gibt's eine Urkunde. Überreicht vom Hamburger Autor Gunter Gerlach, dem Initiator und Moderator der ersten „Themenshow“ im Neuen Cinema.

Über ein Dutzend Künstler hat Gerlach gebeten, ihren Senf zum Thema Essen abzugeben. Von süßlich bis körnig und scharf ist für jeden etwas dabei – serviert von Literaten, Malern, Musikern, Fotogra-finnen und Schauspielern. Dargeboten in einer gut verdaulichen Mischung: Da sprechsingt Thorsten Passfeld über die wohlige Weichheit von Pfannkuchenbergen, während Sven Amtsberg über einen Mann spricht, der von seinen Haustieren aufgefressen wird.

Ein Abend der Extreme. Wie Gerlach anfangs feststellt, gehören Künstler zu den maßlosen Menschen, sind entweder Hungerkünstler oder dick wie zwei. Was sich auf der Bühne bestätigt. Der Maler Peter Nitsche zählt zu den Beleibten und präsentiert riesige Bilder von Frauen mit riesigen Brüsten. Autor Michael Weins, eher die wohlproportionierte Ausnahme, erzählt in Fleisch von einer Liebe, die durch den Magen geht: Eine leidenschaftliche Köchin mästet ihren Lover mit Bergen gebratenen Fleisches, bis er selbst zum bewegungsunfähigen Klops mutiert. Am anderen Ende des Essverhaltens bewegt sich „Anorexie“, ein Zeichentrickfilm von Jenni Tietze. In Schwarzweißbildern zeichnet die HfbK-Studentin das Bild einer Magersüchtigen, die in der Pathologie endet. Diagnose: Mord. Mr. Diet ist der Wiederholungstäter, gegen den selbst die Justiz machtlos ist. Ein Film, der zwischen vielen Snack-Beiträgen herausragt und noch lange im Magen rumpelt. Dort zersetzen sich inzwischen bei den Zuschauern Knackwürstchen, die kostenlos in der Pause konsumiert werden konnten. Jens Fischers Klanginstallation Im Bauch sorgt für die passende Geräuschkulisse. Ein sphärisches Gurgeln und Grummeln und Seufzen, das in zwei satten Fürzen endet.

Viel zu lachen haben die Zuschauer bei Lorenz Ritter. Er besingt seine Stullenleidenschaft in „Andere Länder, andere Schnitten“. Bei Dierk Hagedorn ist schließlich Mitmachen angesagt. Die Gewinner seiner Tombola dürfen sich über die „schreckliche“ und die „furchtbare“ Teekanne aus häuslichen Beständen des Schriftstellers freuen: Die eine ist zu heiß zum Anfassen, die andere leidet an der chronischen Tropfkrankheit. Aber jetzt heißt es erst mal Abwarten und Teetrinken bis zur hoffentlich nächsten Themenshow.

Karin Liebe

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen