: Ruhe im Riensberger Taubenschlag
■ Mit dem Kolumbarium gibt es in Bremen jetzt eine völlig neue Bestattungsform : Angehörige können ihrer Toten in historischem Ambiente gedenken. Die Urnen stehen hinter Glas oder Sandstein
Kolumbarium? Da musste selbst der zur Eröffnung herbeigeeilte Kirchenmann erst mal im lateinischen Wörterbuch nachgucken. Genau das – einen „Taubenschlag“ – gibt es jetzt auch in Bremen. Am Friedhof Riensberg hat Stadtgrün das alte Krematorium zur Ruhestätte für Urnen ausbauen lassen. Mosaike und Neonlicht tauchen den Raum in heimeliges, gelbrotes Licht. In einer runden, von Sandstein und Glas verkleideten Wand sind 280 Nischen für die Aschebehälter untergebracht, dahinter stehen noch der alte Gasofen und die Kanzel. „In der Antike gab es auch schon Kolumbarien“, erklärt Stadtgrün-Mann Steffen Kunkel. Und mit etwas Phantasie ähnelt die kolumbarische Rundwand mit ihren vielen kleinen Nischen tatsächlich einem Taubenschlag.
Die Ex-Volksbildungsministerin der DDR, Margot Honecker, hat die sterblichen Reste ihres Gatten Erich in einer Urne im Wohnzimmerschrank im Exil in Santiago de Chile aufbewahrt.
In Bremen gibt es jetzt auch eine „zeitgemäße und pflegeleichte“ sowie „exklusive oberirdische Bestattungsform", wirbt Stadtgrün. „Es ist ein Raum, der Ernst und Trauer aufnehmen kann“, meinte gestern Bauseantorin Christine Wischer (SPD) bei der Einweihung. „Hier können sich die Angehörigen ihren Toten wirklich nah fühlen“.
Untergebracht ist das Kolumbarium im ehemaligen Riensberger Krematorium, einem Kuppelbau mit vorgelagerter Säulenhalle, der dem Pantheon in Rom nachempfunden ist. Das neoklassizistische Gebäude war 1907 mit Unterstützung der Bremer Feuerbestattungsbewegung errichtet worden. „Zu dieser Zeit war die Feuerbestattung noch Anlaß großer ethischer Auseinandersetzungen“, erzählt Kunkel.
Für viele Christen, vor allem Katholiken, galt die Verbrennung des toten Körpers lange als tabu. Die Kosten für eine Erdbestattung, die größere Hygiene sowie die Besinnung auf die Antike machten die Verbrennung des toten Leibes schließlich zum „Trend“ im Totengewerbe.
„Das protestantische Bremen war ein bedeutender Standort dieser Bewegung“, sagt Rolf Kirsch vom Landesamt für Denkmalpflege, der für den Umbau lange Akten wälzte. Nachdem in Gotha 1878 das deutschlandweit erste Krematorium seinen Betrieb aufgenommen hatte, sammelten Kaufleute Geld, damit auch an der Weser eine ähnliche Einrichtung entstehe. Danach wurden selbst Leichen aus Holland in Bremen eingeäschert. „Hier war das zweitgrößte Krematorium im Reich“, hat Denkmalpfleger Kirsch herausgefunden. Architekt war Heinrich W. Behrens, der später das Karstadt-Gebäude entwarf.
Bis 1988 wurden hier 110.000 Leichen verbrannt, dann kam das Aus für das Krematorium – der Gasofen war nicht mehr umweltfreundlich genug. Nach einer Zwischennutzung als Magazin des Fockemuseums überlegte die Stadt lange, was wohl mit dem Kuppelbau zu tun sei. Sogar der Umbau zum Restaurant war im Gespräch – „genau wie im Krematorium in Hamburg Ohlsdorf“, sagt Kunkel. „Dann wollte ich hier Gastspiele fürs Theater veranstalten“, erzählt der Stadtgrüne. „Mit der Shakespeare-Company hätte ich mir das schon vorstellen können.“
Aber jetzt ist er froh, dass endlich Ruhe in Riensberg ist. Schließlich will Stadtgrün mit dem Columbarium ganz neue Kundenkreise erschließen. Der Trend zur Feuerbestattung hat sich nämlich bis heute immer mehr verstärkt: Sieben von zehn Toten werden in Bremen eingeäschert – allein Stadtgrün kümmert sich um 3.500 Urnen pro Jahr.
Pro Monat kostet die Miete einer Urnennische 11 Euro. „Auf dem Tierfriedhof in der Nähe kostet ein Grab acht Euro“, versucht Kunkel zu erklären, wie preisgünstig das Angebot doch ist. Im Jahr rechnet er mit 20 „Erstbezügen“, ein zweiter und dritter Bauabschnitt mit insgesamt bis zu 550 Nischen ist geplant. Kai Schöneberg
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