Polen zwischen Kino und Wirklichkeit

Ab heute ist im Filmkunsthaus Babylon Robert Glińskis umstrittener und preisgekrönter Film „Hallo, Tereska“ zu sehen

Rober Glińskis „Hallo, Tereska“ läuft heute um 19.30 Uhr im Filmkunsthaus Babylon, Freitag um 22 Uhr und Samstag um 20 Uhr (polnische OF mit engl. Untertiteln)

Als vor sechs Jahren Andrzej Wajda Tomek Tryznas Roman „Fräulein Niemand“ (Panna Nikt) verfilmte, hatte das polnische Kino nur nachvollzogen, was in der Literatur schon zuvor deutlich gewoden war: die Hinwendung zu sozialen Themen am Rande der Gesellschaft. Tryznas Pubertätsgeschichte eines Mädchens im Kohlerevier von Wałbrzych, für viele der Schlüsselroman des modernen Polens, hatte es nicht nur zum Kultstatus gebracht, sondern auch erbitterte Diskussionen um die moralische Verfasstheit des Landes hervorgerufen.

Nun wird erneut um einen Film gestritten, von dem Kritiker sagen, er zeichne ein schockierendes Bild der „Kinder des schlechteren Polens“. Es ist Robert Glińskis mehrfach preisgekröntes Sozialdrama „Hallo, Tereska“ (Cześć, Tereska), das ab heute drei Tage lang im Filmkunsthaus Babylon zu sehen ist.

Lebte „Fräulein Niemand“ noch vom Kontrast zwischen der 15-jährige Heldin Marysia und ihren reichen Mitschülerinnen Kasia und Ewa, bleiben Tereska und ihre Freundin Renata unter ihresgleichen, unter den „Blokerski“, wie die Bewohner der anonymen Wohnblocks in Polen genannt werden. Zwischen Renata, einem behinderten Pförtner und den Jungs aus dem Block sucht Tereska nach einem Geichgewicht, das ihr keiner mehr geben kann: weder die Familie noch die Kirche noch der Staat. Was diesen Film so schwer erträglich macht, ist nicht nur der Verzicht Glińskis auf jegliche Dramaturgie, sondern ein Ende ohne Ausweg.

Das setzt sich sogar „draußen“, in der Realität, fort. Nach den Dreharbeiten winkte der Laienschauspielerin Aleksandra Gletner alias Tereska keine Schauspielkarriere, sondern eine weitere Zukunft im Heim. Als sie daraufhin ausbrach und in einer Kleinstadt bei Łódż untertauchte, wurde sie von der Polizei wieder geschnappt. „Cześć, Tereska“ lässt sich auch mit „Tschüss, Tereska“ übesetzen. UWE RADA