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Keine Schonfrist für den Ersatzkönig

Georg Milbradt zum Nachfolger von Kurt Biedenkopf als sächsischer Ministerpräsident gewählt. Leicht wird sein Job nicht: Die Sachsen hätten lieber Neuwahlen, die Schulpolitik wird teuer und auch in den eigenen CDU-Reihen warten viele nur auf Fehler

aus Dresden MICHAEL BARTSCH

Sachsens neuer Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) bekam gestern schon zu spüren, dass ihm keine Schonfrist im neuen Amt eingeräumt wird.

Unmittelbar vor seiner Wahl im Landtag überreichte ein Aktionsbündnis aller Lehrer-, Eltern- und Schülervertretungen ein Forderungspapier für eine bessere Schule in Sachsen. Die FDP berief sich per Plakat auf 74 Prozent der Sachsen, die Neuwahlen bevorzugt hätten. Die Jusos konfrontierten Milbradt mit einer Sammlung abfälliger Zitate über ihn aus den eigenen CDU-Reihen. Und CDU-Fraktionschef Fritz Hähle nannte genau die Schwerpunkte der Fraktionsarbeit, bei denen der frühere Finanzminister Milbradt als rüder Sparkommissar galt: Schule, Hochschule, Soziales, kommunale Verschuldung.

Das Abstimmungsergebnis fiel mit 72 Jastimmen zwar deutlicher aus als die Probeabstimmung am Montag. Und der rund 15 Monate währende Machtkampf ist zu Ende, in dessen Ergebnis der Exfinanzminister von seiner Partei am bisherigen Regierungschef Kurt Biedenkopf vorbei zum Nachfolger nominiert wurde. Die 2 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen aus der CDU signalisieren dennoch, dass Milbradt bei weitem keine uneingeschränkte Unterstützung im eigenen Lager genießt.

Biedenkopf, der in seiner Abschiedsrede am Mittwoch kein Wort zu seinem Nachfolger verloren hatte, stimmte nach eigener Ankündigung für den ungeliebten Nachfolgekandidaten. Seine Anhänger aber werden Milbradt das Regieren nicht leichter machen und das Thema Fraktionszwang zur Sicherung der 61-Stimmen-Mehrheit öfter auf die Tagesordnung bringen. Ratsam könnte es für Milbradt auch sein, nicht allzu viele Fraktionsmitglieder zu enttäuschen, die sich Hoffnungen auf einen Kabinettsposten machen. Und das sind, so ein Abgeordneter „mindestens 60“.

Sein Kabinett will Milbradt in etwa zwei Wochen vorstellen. Über Personalien hüllt er sich bislang in Schweigen. Relativ moderat begegnete die Opposition dem neugewählten Ministerpräsidenten. PDS-Fraktionschef Peter Porsch sieht nach dem krassen persönlichen Nichtverhältnis zu Biedenkopf nun offenere Umgangsformen und eine „neue Debattenkultur“. Sein SPD-Kollege Thomas Jurk spricht von einem „Schritt von der Monarchie zur Republik“ und einer „Normalisierung der politischen Verhältnisse“. Für ihn ist Georg Milbradt allerdings auch nur ein „Übergangs-MP“ bis zu den Landtagswahlen im Jahr 2004.

In der Tat taugt der keineswegs charismatische Technokrat Milbradt überhaupt nicht für die Rolle des Ersatzkönigs. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm aber nicht. Beim Amtseid jedenfalls konnte er auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ verzichten.

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