: Schöne neue Arbeitswelt?
■ Soccer-Hall als Tourismus-Magnet Zeitarbeit: Sklaventreiber-Image oder Chance für den Wiedereinstieg?
Bei der vierten Bremer Zeitarbeitsmesse „Zeit für Arbeit“ präsentierten sie sich mit bunten Fotos, Hochglanzbroschüren und professionell lächelnden Gesichtern: Adecco, Randstad und Co. „Geschafft!“ strahlte ein junger Mann vom Plakat eines Standes, daneben verspricht ein anderes „Rückenwind“.
Schöne neue Arbeitswelt? Macht sich die Gerster-Behörde, die offenbar fleißig Bilanzen schönt, sogar durch solche Messen überflüssig? Bisweilen scheint es so. „Zwangsweise“ überweist das Amt an die Leiharbeitsfirmen. Aber: Die Branche steht in der Kritik.
„In unseren Beratungsgesprächen hören wir von Firmen, die Dumpinglöhne zahlen“, sagt Gitta Barufke von der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser BürgerInnen (Agab). „Zwölf Mark brutto sollen vorkommen. Andererseits gibt es auch Firmen, die sich an Tarifverträge halten.“
Schlimm sei es aber, wenn der Arbeitslose zum Leiharbeiter werden muss – weil ihm nämlich sonst die Unterstützung gesperrt wird. „Zwangsvermittlung lehnen wir ab.“ Barufke ist kritisch, betont aber auch, dass die Branche nicht nur aus schwarzen Schafen besteht: „Natürlich sollte man nicht alle Firmen über einen Kamm scheren.“
Häufig schickt das Arbeitsamt Joblose weg – zu den Zeitarbeitsfirmen. Ob das Sinn macht, ist bei den Arbeitslosen-Experten der Agab umstritten. Für das Arbeitsamt sind Zeitarbeitsfirmen „ganz normale Arbeitgeber, die Personal suchen“, erkärt Pressesprecher Jörg Nowag.
„Das ist Quatsch“, schnaubt Barufke. Die Leiharbeitsfirmen bezahlten schlecht. „Außerdem kommt eben nicht jeder problemlos damit zurecht, wenn er oder sie immer wieder in einen neuen KollegInnenkreis gesteckt wird“. Und schließlich könnten Betriebsräte für geliehene Arbeitskräfte kaum etwas ausrichten, kritisiert die Agab-Frau.
Vor allem: „Wir sind der Meinung, dass es Aufgabe des Arbeitsamts ist, in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln – und nicht an Leiharbeitsfirmen.“
Die leben prächtig von den Zuweisungen: Etwa 40 Prozent ihres Personals bekommt die Bremer Firma ZIP Zeitarbeit und Personalentwicklung inzwischen vom Arbeitsamt geschickt, sagt die ZIP-Frau Brigitte Krüger. ZIP profitiert von einem bundesweiten Trend. Immer mehr Menschen wenden sich an Zeitarbeitsfirmen. 1993 arbeiteten im Bundesdurchschnitt 120.000 Menschen bei Zeitarbeitsfirmen, acht Jahre später waren es drei Mal so viele. In Bremen arbeiteten im Moment 4.200 LeiharbeiterInnen, vor anderthalb Jahren waren es 3.600, sagte Volker Homburg, Geschäftsführer der ZIP. Er erwartet, dass in Bremen in den nächsten zehn Jahren die Zahl der LeiharbeiterInnen auf acht- bis zehntausend steigen könnte. ZIP-Frau Brigitte Krüger ergänzt: „Außerdem können wir uns mehr Zeit für die Beratung der Jobsuchenden nehmen.“
Dumpinglohn hin oder her – das Arbeitsamt ist froh um jeden, der keine Stütze mehr will. „Wir nutzen alle Instrumente zur Verkürzung der Arbeitslosigkeit“, sagt Pressemann Nowag. Trotz aller Vorbehalte sagt letztlich auch Gitta Barufke: „Zeitarbeit kann eine Chance sein“.
Ulrike Bendrat
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