: Schrecken durch Frömmigkeit
David Eugene Edwards' Projekt „Woven Hand“ morgen in der Fabrik ■ Von Joachim Hentschel
Es gibt mal wieder Schwierigkeiten, wenn zwei Generationen zusammen Musik hören. „Mein Sohn bevorzugt die etwas heftigeren Sachen“, sagt David Eugene Edwards, 33 Jahre, Rockmusiker aus Colorado. Seine Vorliebe für alte Kirchenlieder aus den Appalachen teilt der vierjährige Sohn nicht. Der freut sich zwar, wenn der Vater ihm die Platten seiner Band 16 Horsepower vorspielt, weil die schön rumpeln und krachen. Wenn aber das neue, eher introspektive Solo-Album von David Eugene Edwards läuft, sucht er sich etwas anderes zum Spielen.
In der Regel werden Songschreiber, die ihren christlichen Glauben sichtbar vor sich hertragen, matt verspottet. David Eugene Edwards schafft es dagegen, seinen Hörern dadurch Schrecken einzujagen: Er schöpft aus dem Alten Testament, aus der düsteren Frömmigkeit des amerikanischen Bible Belt. Er löst die Rätsel nicht auf und erklärt ohne Not: „Ich finde es gut, auf meine Botschaft reduziert zu werden. Für manche Leute ist das schwer zu schlucken, manchmal auch für meine Mitmusiker.“ Er hört kein Radio, spielt am liebsten auf Original-Instrumenten der Jahrhundertwende und lässt sich von alten Folk-Partituren inspirieren. Weil er die Ignoranz dieser Musik schätzt, die niemandem auf Teufel komm raus gefallen will.
Ach ja, der Teufel. Viele hören ihn wispern, wenn 16 Horsepower auf der Bühne stehen, wenn Edwards von Schuld und Sühne singt und etwas mehr von der Hölle als vom Himmel. Wenn ein Banjo spielt, wenn die Musik mit Country & Western zu tun hat, klingt das für andere gleich nach Hufgeklapper – bei 16 Horsepower kam das immer von apokalyptischen Reitern. Sein großes Publikum in Europa verdankt das Trio der Tatsache, dass es trotz des Spiels mit authentischen Instrumenten und Cowboy-Insig-nien nie puristisch klang. Besonders auf der letzten Platte Secret South aus dem Jahr 2000 wurde sämtlicher Staub, den irgendwelche Pferde- oder Teufelsfüße aufgewirbelt hatten, von sägenden Gitarren beseitigt.
Die zwei Kollegen sind nicht dabei auf David Eugene Edwards' derzeitiger Tournee. Mit Daniel McMahon, der sonst im Naturkundemuseum arbeitet und noch nie vor Publikum musiziert hatte, hat er das Duo Woven Hand gegründet, und auch das hat in gewisser Weise mit Edwards' religiösen Gefühlen zu tun. Na ja, es gibt eine offizielle Version. „16 Horsepower haben acht Jahre lang gespielt und getourt, alle waren müde, es war Zeit für eine Pause“, sagt der Sänger. Warum er trotzdem schon wieder unterwegs ist? Er müsse halt Geld für die Familie verdienen. Das kann er nicht anders.
Daraus, dass eine Tour so für alle Beteiligten und nicht Beteiligten entspannter ist, macht Edwards aber kein Geheimnis: „Zum Beispiel war es so, dass 90 Prozent der Presseartikel über die Band von meinem Glauben gehandelt haben. Ich fand das gut. Die anderen zwei glauben an andere Sachen, aber es wurde immer so getan, als spräche ich für die ganze Band. Das war ihnen natürlich unangenehm. Leider konnte ich nichts dagegen tun.“ Für persönliche Zerwürfnisse habe das nicht gesorgt. Nicht wie bei U2, die sich für frühere Tourneen angeblich auf einen christlichen und einen heidnischen Bus verteilten.
Auf dem eben erschienenen, großartigen Album Woven Hand ist der Unterschied zu den Platten von 16 Horsepower nicht ganz so stark, weil Edwards im Studio für volle Instrumentierung gesorgt hat. Im Konzert klingt das viel intimer, weniger fiebrig und hibbelig – ein Folksänger und sein Freund mit Gitarre, Orgel und Mandoline. Wohnzimmermusik. „Das Material ist gar nicht so unterschiedlich. Alle 16 Horsepower-Songs könnte man so spielen“, sagt Edwards. Ein paar spielt er sogar.
Und wenn ein Stück wie „The Good Hand“ tatsächlich seine derzeitige Konstitution beschreibt, war der Teilrückzug keine schlechte Idee: „Eure hölzernen Augen sind blind für die schützende Hand, die auf mir ruht.“ Die innere Mitte steckt oben im Himmel. Ob und wann 16 Horsepower weitermachen, entscheidet sich erst. Chris-tus, der Stolperstein – das allerdings steht im Neuen Testament.
morgen, 21 Uhr, Fabrik
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