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off-kino Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet

Die Tonspur zieht sich so konsequent durch den Film wie die endlosen Straßen durch die staubigen Gegenden des amerikanischen Südwestens, auf denen die Helden mit ihren getunten Wagen ziellos herumbrausen. Fünf Minuten Motorengeheul stehen am Anfang von Monte Hellmans „Two-Lane Blacktop“, und als man erstmals einen Dialog richtig verstehen kann, dreht sich das Gespräch um die Wartung eines Automotors. Motorengeheul und ohrenbetäubende Stille werden sich abwechseln in dem Film über die Unfähigkeit zur Kommunikation, in dem die Figuren nicht einmal Namen tragen: Da gibt es The Driver (James Taylor) und The Mechanic (Dennis Wilson), die andere Autoenthusiasten zu kleinen Wettrennen um Geld provozieren. Irgendwann treffen sie auf The G.T.O. (Warren Oates). Man verabredet ein Rennen durch mehrere Bundesstaaten nach Washington D.C., doch der Wettbewerb wird im Lauf der Reise immer unwichtiger. Sowohl The Driver als auch The G.T.O. verstecken ihre Kommunikationsunfähigkeit hinter Schutzmechanismen: Der eine sagt fast nie etwas, der andere redet unentwegt und präsentiert den wechselnden Mitfahrern ständig neue großsprecherische Versionen der eigenen Biografie. Denn es gibt auch noch The Girl (Laurie Bird), das Mädchen, das mal beim einen und mal beim anderen im Wagen sitzt und am Ende mit einem Motorradfahrer davonbraust: die Projektionsfläche für die uneingestandenen Wünsche. Als Roadmovie kündet „Two-Lane Blacktop“ vom Ende der Aufbruchstimmung der 60er-Jahre: Für die Protagonisten gibt kein Ziel mehr, nicht einmal mehr eine diffuse Suche, nur noch das Gefühl, dass es überall dort besser sein muss, wo man gerade nicht ist. „You gotta keep moving“ sagt The G.T.O. einmal, und The Driver meint: „You can never go fast enough“.

„Two-Lane Blacktop“ (OF) 25.4. im Arsenal 1

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Chipstüten-Knisterer, beware! „Wenn du weiter solchen Krach machst, murkse ich dich ab“, sagt ein Gangster gleich in der ersten Szene von Juzo Itamis Nudelsuppen-Epos „Tampopo“ zu einem dieser ignoranten Raschler. Doch bekanntlich geht es beim Essen nicht nur ums Geräusch, sondern auch um den Geschmack. Und mit dem liegt es bei den Gerichten, die eine nette Witwe in ihrer etwas heruntergekommenen Imbissbude zubereitet, ziemlich im Argen. Weshalb ihr ein einsamer Fremder, der seinen breitkrempigen Hut nicht einmal in der Badewanne abnimmt, helfen wird, die beste Nudelsuppenköchin Japans zu werden, ehe er wortlos wieder verschwindet. Überaus charmant und amüsant kommt dieser ironisch gebrochene Western daher, den Itami mit inhaltlich nicht zusammengehörigen Randepisoden garniert hat, in denen das Thema Nahrung unter Aspekten wie Erotik, Schmerz und Tod beleuchtet wird. Mitunter recht makaber: Besonders schön gestaltet sich eine Szene, in der eine sterbende Frau unter Aufbietung der letzten Kräfte das Essen für ihre Familie zubereitet. Und während sie röchelnd dahinscheidet, werden die weinenden Kinder vom Vater gezwungen die Suppe auszulöffeln – Mutters Vermächtnis.

„Tampopo“ 25.4.-1.5. in den Tilsiter Lichtspielen

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Sein sarkastischer Humor und die oftmals zynischen Hauptpersonen seiner Filme trugen dazu bei, dass auch Billy Wilder selbst oft als ein alles verachtenden Zyniker betrachtet wurde. Dabei war der Regisseur eher ein Moralist – viele von Wilders Filmfiguren müssen zunächst schmerzhafte Lernprozess durchmachen, ehe sie die wahren Werte des Lebens erkennen. Schmerzhaft wird es auch für den Versicherungsvertreter Walter Neff (Fred MacMurray) in „Double Indemnity“ – doch die Erkenntnis, dass die Frau die falsche und der Mord an ihrem Mann keine gute Idee war, kommt zu spät: Ihm bleiben nur ein paar Kugeln im Leib und der Tod. Dass er seine Geschichte sterbend in einer Rückblende erzählen muss, hätte ihn vielleicht ebenso warnen sollen wie die Low-Key-Fotografie von Kameramann John Seitz, der die Räume selbst am helllichten Tag in schummeriges Zwielicht taucht: „Double Indemnity“ gehört zu den klassischen Films noirs.

„Double Indemnity“ (OF) 30. 4. im Arsenal 2

LARS PENNING

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