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Durchgestochen

„Famous Eyes“: Prominenten-Inszenierungen von Daniel und Geo Fuchs in Kunsthaus  ■ Von Hajo Schiff

Ohne Augen läuft nichts in der bildenden Kunst. Doch das Sehen ist nichts Absolutes: Wie jede schlichte Zeugenbefragung erweist, scheinen alle alles auf verschiedene Arten zu sehen, und auch die Augen selbst sehen alle anders aus. Um so überraschender ist bei der Wichtigkeit der Sehinstrumente, wie selten sie in der ästhetischen Praxis als Thema bearbeitet werden. Und so haben auch fast alle gleich freudig zugesagt, als sie um Mitarbeit bei der Augensammlung von Daniel und Geo Fuchs gebeten wurden: Die Frankfurter Fotokünstler sind für ihr Projekt Famous Eyes seit über zwei Jahren hinter den Augen von Prominenten her. Die Resultate sind derzeit – präsentiert im Rahmen der Triennale der Photographie – im Kunsthaus zu sehen.

Wie schon bei Conserving, ihrem vorigen Projekt zu den biologischen Archiven voller in Spiritus eingelegter Tierexemplare, ist die Machart höchst professionell. In Wirklichkeit allerdings spielt das Konzept nur mit dem wissenschaftlichen Anspruch. Fast ein bisschen bedauerlich, denn vielleicht wäre eine wissenschaftliche Erfassung der Augen von zweihundert kreativen Menschen – von Bryan Adams und Louise Bougeois zu Harald Szemann und Sven Väth – ja wirklich von begrenztem wissenschaftlichem Interesse. Doch die jetzt im Kunsthaus gezeigten Bilder des Künstlerpaares gehen weit über eine enzyklopädische Erfassung berühmter Augen hinaus. Denn nach der Aufnahme mit einer eigentlich für Augenärzte entwickelten Polaroidkamera wurden die Augenporträts in einem zweiten Schritt jeweils nach kreativem Wunsch der Prominenten inszeniert. Und so finden sich in dieser umfangreichen und lange noch nicht abgeschlossenen Serie verschiedenste Facette des Sehens und Gesehenwerdens.

Und auch wenn die Präsentation dem Konzept von Daniel und Geo Fuchs folgt, wirken die letztlich ausgewählten Bilder oft wie eigene Arbeiten der Porträtierten: Statt nur ein sehr persönliches „Who is who“ zu zeigen, wird der intime Blick in die Augen der Prominenz durch gekonnte Selbstdarstellung gebrochen. Dabei bleibt dann der Ausgangspunkt schon einmal auf der Strecke: Beim Choreographen Sasha Waltz sind es die Beine, bei Jane & Louise Wilson die Füße, und beim britischen Fotokünstler Richard Billingham nur eine langsam herunterbrennende Zigarette, die als Stellvertreter für den engen Blickkontakt herhalten müssen.

Anderswo werden die Augen auch schon mal ausgeschnitten und durchstochen, als riesengroße Fracht auf einen LKW collagiert, den Haustieren verpasst oder schlicht geschlossen. Wie bei Christo verdeckt und verfremdet manchmal eine Brille das spitze Oval des Auges; zudem wird die senkrecht gestellte Augenlinse manchmal der Vagina analogisiert.

Durch die erstmalige Benutzung der neu dazugewonnenen Halle K haben die Arbeiten viel Platz, um in beiden Räumen des Kunsthauses ihre Wirkung zu entfalten. Dabei bietet die großzügige Hängung zusätzlich Raum für Videos und einen Dokumentarfilm über das Künstlerpaar. Eine Kritik allerdings muss erlaubt sein: Das Projekt ist nicht frei von einer etwas spekulativen Anleihe bei der Berühmtheit der Dargestellten und scheint doch ein wenig zu geschäftstüchtig daherzukommen.

Das Kunstprojekt, das als intensiver Blick auf die Blickmaschine vorbildlicher Menschen, als Augendiagnostik im Sinne des Triennale-Mottos „Reality-Check“ begann, wurde im Reigen der Prominenz zu einem glamourösen Gaukelspiel mit PR-mäßigen Inszenierungen, die schließlich auch Daniel und Geo Fuchs total verblüfft haben. Zaubermeister David Copperfield etwa ließ sein Augenfoto zum Beispiel einfach zwischen seinen Händen schweben: Einfach bravourös!

Daniel und Geo Fuchs: Famous Eyes, Kunsthaus + Halle K, Klos-terwall 15, Di–So 11–18 Uhr; bis 23. Juni. Katalog: 240 Seiten, 99,90 Euro

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