Warten auf den Herzensmeister

Im letzten Heimspiel sichert sich Hertha BSC mit dem 2:0 gegen Schalke 04 wenigstens einen Platz im Uefa-Cup und hofft nach einer durchwachsenen Saison darauf, dass mit dem neuen Coach Huub Stevens künftig alles besser wird

Die Trennung der siamesischen Zwillinge von Gelsenkirchen hätte augenscheinlicher kaum sein können. Dicht nebeneinander sitzend pflegen Trainer Huub Stevens und Manager Rudi Assauer die Spiele des FC Schalke 04 von der Bank aus zu begutachten, in trauter Zweisamkeit absolvierten sie stets die Pressekonferenzen. Nach dem 0:2 bei seinem künftigen Klub Hertha BSC saß Stevens jedoch plötzlich allein auf dem Podium. Assauer hatte sich kurz zuvor mit herb-männlichem Handschlag von seinem Nochcoach verabschiedet und war davongerauscht. „Weil er zum Zug musste“, beeilte sich Stevens zu erläutern, „es hatte nichts mit dem Spiel zu tun.“

Die Erklärung war angebracht, denn die Art, wie die Schalker ihre letzte Chance auf eine Champions-League-Teilnahme vergeigt hatten, konnte dem Manager kaum gefallen. Mit sturer Defensive und ohne großes Engagement ergaben sie sich in ihr Schicksal, fast schien es, als würde ihnen die Erinnerung an ihre letzten traurigen Auftritte in Europas Eliteklasse die Beine lähmen. Eventuelle hässliche Gedanken bezüglich der dualen Loyalität des Huub Stevens erübrigten sich durch den Sieg der Bayern in Wolfsburg, der auch Hertha BSC den Weg in die Champions League endgültig versperrte.

So war die Zeit gekommen, Bilanz zu ziehen, obwohl den Berlinern noch eine ehrenvolle Aufgabe bevorsteht: die Entscheidung der deutschen Meisterschaft. Das Spiel am Samstag in Leverkusen sieht Manager Dieter Hoeneß als Gelegenheit, „noch einmal die Blicke auf uns zu richten“, auch wenn er keinen Hehl daraus macht, wem im Titelkampf seine ganz unbrüderlichen Sympathien gelten. „Es ist fatal, dass wir möglicherweise Leverkusen daran hindern müssen, Meister zu werden.“

Weit fataler findet es Hoeneß allerdings, dass es für sein Team nur noch „um die goldene Ananas“ geht und nicht mehr um die Champions League. „Es war mein innigster Wunsch, in Leverkusen um Platz drei zu spielen.“ Doch statt sich mit Europas Topklubs messen zu dürfen, muss Hertha zum dritten Mal in Folge mit den Westerlos und Stavangers vorlieb nehmen. „Gerade kostendeckend“ seien die ersten drei Runden im Uefa-Cup, sagt Hoeneß wenig euphorisch, interessant werde es ab Runde vier – genau jene, welche die Berliner zuletzt durch das Aus gegen Servette Genf verpasst hatten.

„Da sind zwei große Töpfe an uns vorbeigegangen“, beklagt der Manager rückblickend die Uefa-Cup-Pleite und die Niederlage im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den 1. FC Köln. Beides Schlappen, die eng mit der komplizierten und langwierigen Trennung von Trainer Jürgen Röber verbunden waren. „Es war uns klar, dass da Sand ins Getriebe kommen könnte“, sagt Hoeneß. Wenn man aber alle Widrigkeiten, zu denen auch die Verletzungen von Sebastian Deisler gehörten, in Betracht ziehe, sei „diese schwierige Saison eigentlich optimal gelaufen“.

Legt man allerdings die vor Beginn der Spielzeit gezeigten Ambitionen zugrunde, war es ein Jahr der Stagnation. Ändern soll dies Huub Stevens, seines Zeichens Uefa-Cup-Gewinner, Pokalsieger und Herzensmeister, ein Mann für die großen Titel also. „Das Potenzial ist da“, zeigt sich Dieter Hoeneß überzeugt und lässt keine Zweifel am neuen Heilsbringer gelten. „Mit größter Überlegung“ habe man sich für Stevens entschieden. Vertrauenserklärung und Bürde zugleich. Ein Uefa-Cup-Platz, das ist klar, wird nächste Saison nicht mehr genügen. MATTI LIESKE