: „Es gab keine Diskussion“
Im Februar 2001 wurde Hugo Müller-Vogg von seinem Amt als Herausgeber der „FAZ“ entbunden – warum, weiß er immer noch nicht. Über seine Fünf-Minuten-Kündigung, politische Richtungen und konspirative Treffen spricht er im taz-Interview
taz: Glauben Sie, dass Sie wegen Ihrer zu konservativen Linie bei der FAZ ausscheiden mussten?
Hugo Müller-Vogg: Es gibt im Herausgebervertrag eine Klausel, wie sich eine Trennung von einem Herausgeber zu vollziehen hat. Danach hat eine Sitzung stattzufinden, und alle müssen gehört werden. Das hat es bei mir nicht gegeben, deshalb hat mir auch niemand die Gründe offenbart. Ich finde es aber hoch interessant, dass die meisten Medien meinen Rauswurf politisch begründet haben.
Das wollten die Herausgeber aber nie zugeben, geschweige denn in den Zeitungen lesen, deshalb gingen sie gerichtlich gegen diverse Medien vor.
Mich hat damals vor allem gewundert, dass die FAZ selbst die Gründe für meinen Rauswurf niemals nennen wollte, aber jedem anderen verbieten wollte, darüber zu spekulieren.
Gab es nun politische Gründe für Ihren Rauswurf?
Es gibt Äußerungen meiner ehemaligen Kollegen und meines Nachfolgers, die diese Interpretation nahe legen. So wird Herr Nonnenmacher, der damalige Vorsitzende des Herausgeber-Gremiums, mit den Worten zitiert: „Müller-Voggs Sportverein war eher die CDU.“ Ich vermute, das war nicht als Kompliment gedacht. Mein Nachfolger, Dieter Eckart, hat in einem Interview von einer „Richtungsänderung“ gesprochen. Das kann man politisch interpretieren.
Sie haben damals gegen die FAZ prozessiert, sich dann aber doch geeinigt. Warum?
Ich hatte eine Kündigungsschutzklage eingereicht. Wir haben uns dann aber außergerichtlich geeinigt. Das ist allemal besser als eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung.
Es gibt Parallelen zum Fall Peter Boenisch. Der hat wie Sie über Joschka Fischers Vergangenheit geschrieben – allerdings wohlwollend –, wurde offiziell wegen Illoyalität geschasst und prozessiert noch.
Ich kenne die Interna im Hause Springer nicht. Ich kenne auch nicht die Beweggründe von Herrn Boenisch. Wenn sich eine Parallele aufdrängt, dann die zum Rauswurf von Jürgen Tern [Tern wurde 1970 von seinem Amt als Herausgeber der FAZ entbunden, d. Red.], der nachweislich mit den anderen Herausgebern wegen der Ostpolitik im Konflikt lag. Offiziell hat man ihm vorgeworfen, er habe zu lange an seinen Leitartikeln geschrieben und dadurch den Andruck der Zeitung verzögert.
Gehört es nicht zu einer lebendigen Zeitung, dass es Auseinandersetzung um die politische Richtung gibt?
Eine Stärke der FAZ war immer, dass es innerhalb der Zeitung auch eine gewisse Bandbreite gab. Und das, was ich zum Fall Fischer geschrieben habe, lag ja auch nicht außerhalb dessen, was unter vernünftigen Leuten möglich ist. Nur, in diesem Fall wurde keine Auseinandersetzung geführt, es gab keine Diskussion, keine Sitzung, wo ein Kollege gesagt hätte, lieber Müller-Vogg, so geht das nicht. Man hatte beschlossen, mich rauszuwerfen, ging zum Aufsichtsrat und erzählte dem unter anderem, es habe ein geheimes Treffen gegeben zwischen dem Springer-Vorstand Mathias Döpfner, anderen leitenden Springer-Leuten und mir. Das Problem ist nur, dass weder Herr Döpfner noch sonst jemand bei Springer noch ich mich an ein solches Treffen erinnern können. Denn ein solches Treffen hat es nie gegeben – und auch keine sonstwie geartete Konspiration.
Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten Interna an die Welt weitergegeben.
Das ist auch so eine groteske Geschichte. Es ging um ein Zitat, das einem Mitherausgeber zugeschrieben wurde, alle fünf haben eine eidesstattliche Erklärung unterschrieben, dass dieses Zitat nicht von ihnen stammt, auch ich. Das angebliche Zitat war im Übrigen inhaltlich unsinnig.
Wie ist heute das Verhältnis zu Ihren damaligen Kollegen?
Der Rauswurf wurde mir damals im Stehen innerhalb von fünf Minuten mitgeteilt. Seitdem habe ich den einen oder anderen, wenn ich ihm begegnet bin, gegrüßt. Gesprochen habe ich mit keinem der Herren je wieder.
Bedauern Sie das?
Ich bedaure, mich in einigen Leuten so getäuscht zu haben.
Vor kurzem sollte das Feuilleton der FAZ nach Berlin ziehen, dann plötzlich sollte es doch in Frankfurt bleiben …
Für mich war interessant an dieser Geschichte, dass Einzelheiten aus Redaktionskonferenzen und auch aus Herausgebersitzungen in anderen Zeitungen standen. Wenn Müller-Vogg vor einem Jahr die undichte Stelle gewesen sein soll, so kann er es diesmal jedenfalls nicht gewesen sein. Es gibt also nach wie vor eine undichte Stelle. Alle Schlussfolgerungen daraus überlasse ich dem Leser.
Abgesehen davon: Es ist doch seltsam, dass ein Gremium in der einen Woche einen Beschluss fasst, ihn mit Sparmaßnahmen begründet und ihn in der nächsten Woche revidiert mit der Begründung, die Kosten seien zu hoch. Da haben wohl interne Machtfragen die Hauptrolle gespielt.
Jetzt schreiben Sie regelmäßig für die WamS und für Super-Illu, bei Letzterer eine Art Kampfkolumne gegen Gregor Gysi. Wie ist Ihr Verhätnis zu Gysi?
Ganz entspannt. Ich kannte ihn ja aus Fernsehsendungen und Interviews. Wenn ich heute in Berlin die freie Auswahl hätte, mit welchem Politiker ich ein Bier trinken möchte, wäre Gregor Gysi in der engeren Wahl.
Wie beurteilen Sie als Journalist die FAZ heute?
Ich will es mal so sagen: Bevor Herr Fuhr damals die FAZ verließ [Eckart Fuhr war bis April 2000 Ressortleiter Innenpolitik der FAZ, d. Red.], gab er der Woche ein Interview. Darin sagte er in etwa: Die FAZ ist die beste Zeitung, weil sie die beste Redaktion, die besten Korrespondenten und die besten Analysen hat. Die FAZ, so Fuhr damals, zeichnet sich nicht mehr durch eine politische Richtung aus. Das scheint heute noch mehr zu gelten.
INTERVIEW: HEIKO DILK
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