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Der heimliche Herrscher geht

Nikolaus W. Schües nimmt Abschied als Präses der Hamburger Handelskammer nach sechs Jahren Kampf für den A380 und den Transrapid, mehr Autobahnen, eine tiefere Elbe und das größte anzunehmende Konjunkturprogramm Olympia 2012

von SVEN-MICHAEL VEIT

Er ist die ideale Verkörperung des hanseatischen Kaufmanns, vom Silberscheitel bis zur Designersohle; eleganter Zwirn, perfekte Manieren und feste Ansichten sind seine Markenzeichen: Nikolaus W. Schües nimmt am Donnerstag Abschied als Chef der altehrwürdigsten aller altehrwürdigen Institutionen der Freien und Hansestadt Hamburg. Nach sechs Amtsjahren scheidet der Inhaber der F. Laiesz Schifffahrtsgesellschaft aus seiner Position als Präses der Handelskammer. Ein Amt, das wahrlich nur die wirklich Wichtigen unter Hamburgs Wirtschaftsführern zu bekleiden hoffen dürfen: Vorgänger von Schües war der damalige Holsten-Chef Klaus Asche, sein Nachfolger wird Haspa-Boss Karl-Joachim Dreyer.

Autoverkehr ist Einkaufsverkehr ist Einzelhandelsumsatz

Träume waren des scheidenden 66-Jährigen Sache nie, Visionen jedoch allemal, fußend auf dem unerschütterlichen Glauben an die Macht des Geldes und die Machbarkeit des Wünschenswerten. Die Hafenerweiterung in Altenwerder stand Jahrzehnte ganz oben auf dem Wunschzettel des Reeders, der Airbus A380 und Elbvertiefungen in Serie stehen da noch immer, dazu ein Autobahnkranz rings um Hamburg inklusive einer weiteren Elbquerung und der Ausbau der innerstädtischen Straßen. Denn „mehr Wege zum Wohlstand führen“, da lässt Schües sich nicht beirren, „über eine Renaissance vernünftigen Straßenbaus, damit mögliches Wachstum nicht erdrosselt wird“. Und ebenso felsenfest gelte weiterhin die Gleichung „Autoverkehr ist Einkaufsverkehr ist Einzelhandelsumsatz“, und nichts dürfe das Bild der City trüben, schon gar nicht Bettler und Junkies.

Und weil der Mann so unerschütterlich ist, zweifelt er auch nicht daran, dass „die größte Enttäuschung meiner Amtszeit“ schon bald überwunden wird. Es ist der Transrapid, bei dem selbst dieser nüchterne Kaufmann so ins Schwärmen zu geraten pflegt, dass zuweilen um seine Contenance zu fürchten ist. Als Eurorapid werde er wiederauferstehen, mit Hamburg als Zentrum eines Spinnennetzes auf Stelzen zwischen Amsterdam, Kopenhagen und Stockholm, Berlin und Warschau, Prag, Wien und Budapest.

Doch der Mensch, weiß Schües, lebt nicht vom Brot allein, auch Spiele müssen sein, vorzugsweise die Gold verheißenden Olympischen 2012 in Hamburg. Im August vorigen Jahres setzte er sich mit Verve an die Spitze der olympischen Bewegung in der Elbmetropole. Vom „größten anzunehmenden Konjunkturprogramm für Hamburg und Norddeutschland“ schwärmte der Präses, von „100.000 Dauerarbeitsplätzen“, fünf Milliarden Euro Plus beim Bruttoinlandsprodukt und einem Gewinn von „bis zu 800 Millionen Euro“ für den Stadtstaat der hanseatischen Pfeffersäcke.

Brot und Spiele, Olympische selbstverständlich

Die Politiker jubelten pflichtschuldigst. Was blieb ihnen auch anderes übrig, so kurz vor der Bürgerschaftswahl, als die Vorgaben des heimlichen Herrschers Hamburgs mit gebührendem Enthusiasmus zu befolgen. Zumal das nichts Neues ist für die da im Rathaus, ist dieses doch nur der Anbau der Handelskammer am Adolphsplatz, in deren Großen Festsaal ihnen alljährlich an Silvester der Präses auf der „Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns“ vor 2000 handverlesenen VIPs gegen Ökosteuer, Atomausstieg und andere „Kampfansagen an die Wirtschaft“ wetternd die Leviten zu lesen pflegt.

Einmal aber, ein einziges Mal, da begehrten sie auf, vor zwei Jahren, am 19. Januar 2000. Da boykottierte Hamburgs politische Elite, auch Bürgermeister-Kandidat Ole von Beust, den Festakt, auf dem Helmut Kohl auf dem Höhepunkt des CDU-Spendenskandals für „seine Verbundenheit mit der Wirtschaft“ die Kammermedaille verliehen wurde. „Wir sind keine Pharisäer, keine Richter“, erteilte Schües dem Alt-Kanzler seinerzeit die Absolution.

Und wenn er übermorgen tschüss sagt, wird er auch diese Ansicht nicht geändert haben.

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