piwik no script img

off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Klaus Kinski und kein Ende. Das wiedererwachte Interesse an Leben und Werk des exzentrischen Mimen beschert uns nicht nur Lesereisen eines Ben Becker, sondern nun auch eine Ausstellung: „ICH, Kinski“ wird am 2. Mai im Filmmuseum Potsdam in Anwesenheit von Kinskis Sohn Nikolai und dem Filmproduzenten Artur Brauner eröffnet. Anschließend gibt es die Dokumentation „Babyboy“ (2001) von Peter Geyer und Michael Dreher zu sehen, die sich mit dem Verhältnis des 1991 verstorbenen Kinski zu seinem Sohn beschäftigt, der mittlerweile als Schauspieler in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist. Allerdings ist die konventionelle, hauptsächlich aus Interviews bestehende Dokumentation ein wenig mit Vorsicht zu genießen: Stellt „Babyboy“ doch vor allem einen seltsam fantasielosen Versuch der Kinski-Familie dar, einigen Behauptungen zu widersprechen, die Werner Herzog in seinem Kinski-Porträt „Mein liebster Feind“ aufgestellt hatte, das man sich unbedingt zum Vergleich anschauen sollte: ein erheblich amüsanteres und künstlerisch gelungeneres Werk, in dem man gleichwohl auch nicht unbedingt jedes Wort auf die Goldwaage legen darf – ist der Film doch mindestens ebenso sehr ein Selbstporträt des egomanischen Regisseurs wie seines bevorzugten Schauspielers. Noch immer im Programm der Berliner Kinos befindet sich auch der 1962 entstandene Psychothriller „Der rote Rausch“ von Wolfgang Schleif mit Klaus Kinski in einer seiner ersten Hauptrollen: Als mehrfacher Frauenmörder mit Amnesie bricht er aus einer Nervenklinik aus und kommt auf einem österreichischen Bauernhof unter, wo man ihn für einen Flüchtling aus dem Osten hält. Ganz sanft und verängstigt wirkt Kinski hier, ehe er mit seinem anderen Ich und einer Welt voller Missgunst und Gewalttätigkeit konfrontiert wird, so dass ihm schließlich sogar die verhasste Klinik wieder wie ein Zufluchtsort erscheint.

„Babyboy“, 2. 5.–5. 5., „Mein liebster Feind“, 4. 5.–5. 5. im Filmmuseum Potsdam, „Der rote Rausch“, 2. 5.–8. 5. im Blow Up, 3. 5.–4. 5., 6. 5.–8. 5. im Balázs

* * *

Das neben „Time Machine“ populärste Werk des britischen Schriftstellers H. G. Wells ist vermutlich der Science-Fiction-Roman „The Shape of Things to Come“, in dem der Autor jahrzehntelange Kriege, tödliche Seuchen, den Rückfall in die Barbarei und deren Überwindung durch eine hochtechnisierte Zivilisation voraussagte. 1936 adaptierte Wells die Geschichte unter dem Titel „Things to Come“ auch für die Kinoleinwand; Regie führte der amerikanische Filmarchitekt William Cameron Menzies, der den Film zu einem interessanten Beispiel für Architektur und Set Design im Kino machte. In langen, rasanten Montagesequenzen von Zerstörung und Wiederaufbau der Zivilisation erscheint die Stadt der Zukunft im Stil der Art Moderne: Die sterile Atmosphäre der von kaltem Neonlicht erleuchteten und von Säulen aus Plexiglas getragenen weißen Räume bedeuteten für den technologiegläubigen Wells den Triumph über das Chaos.

„Things to come“ (OmU), 8. 5. im Arsenal

* * *

In „Auf Wiedersehen Kinder“ (1987) verarbeitete Louis Malle Erinnerungen an eine Begebenheit in seiner Kindheit: Im von den Deutschen besetzten Frankreich freunden sich 1944 zwei zwölfjährige Schüler eines katholischen Internats an. Doch einer der beiden Jungen ist ein versteckter Jude, der schließlich von den Nazis abgeholt wird. Zugespitzt hat der französische Regisseur die Geschichte auf den Moment des ungewollten Verrats: Ein unschuldiger Blick wird in die Katastrophe führen.

„Auf Wiedersehen Kinder“, 2. 5.–5. 5. im Regenbogenkino, als OmU am 3. 5. im Cinema Paris, 6. 5. im FaF

* * *

Nachdem sich Filmpläne in Hollywood zerschlagen hatten, sicherte der sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein im Jahr 1929 mit Hilfe des Schriftstellers Upton Sinclair die Finanzierung eines Filmes über Mexiko. Aber Eisenstein überzog die Drehpläne und das Budget – „Que viva México!“ wurde nie vollendet. Doch Eisensteins Bilder bleiben faszinierend: streng kadrierte und sorgfältig komponierte Aufnahmen von steinernen Monumenten und lebendigen Gesichtern, von Ritualenund merkwürdigen Prozessionen. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen, und es triumphiert das Leben über den Tod.

„Que viva Mexico!“ (OmU), 5. 5. im Arsenal

LARS PENNING

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen