: Die Offenbarung beim Hähnchenkauf
Alles, was ein Drummer haben muss: Einst sorgte Al Foster in der Band von Miles Davis für den richtigen Rhythmus. Heute Abend tritt der legendäre Jazz-Schlagzeuger als Leader seines eigenen Quartetts im Quasimodo an
Howard Johnson machte die besten Brathähnchen der Stadt. In seinem Keller in der 95. Straße, damals in den 70ern in New York City. Das „Cellar“ war ein kleiner Club mit einer winzigen Bühne. Später am Abend holte Johnson seine Tuba und füllte die Bühne mit sich und ein paar anderen, und der stampfende, schwitzende Rhythmus bahnte sich seinen Weg nach oben auf den schwarz glänzenden Asphalt.
Den Rhythmus gab Al Foster vor, damals 28 Jahre alt und ursprünglich aus Richmond, Virginia. Mit dreizehn brachte er sich das Schlagzeugspielen bei und hatte drei Jahre später seinen ersten Gig mit Hugh Masekela. Von da an galt der 16-Jährige als begehrter Sideman. Er spielte während der 60er-Jahre bei Illinois Jacquet, Yusef Lateef und Lou Donaldson und schlug Angebote von Horace Silver oder Cannonball Adderley aus, sie nach Europa zu begleiten. Er zog es vor, in New York zu bleiben.
An einem Sommerabend 1972 kam Miles Davis im „Cellar“ vorbei. Später schrieb er in seiner Autobiografie, er habe früher bei Howard Johnson seine Kleidung gekauft und dann seine Brathähnchen. An jenem Abend hätte Howard eine Band mit dem Bassisten Earl Mays als Leader gehabt, der früher bei Dizzy Gillespie gespielt hatte. Der Schlagzeuger habe ihn dann geradezu umgehauen mit „seinem Groove und seinen messerscharfen Einsätzen“.
Miles Davis fragte ihn, ob er in seine Band kommen würde, und Foster sagte zu. „Big Fun“ war dann das erste von fast 20 Miles-Alben mit Al Foster an Stelle des bisherigen Davis-Schlagzeugers Jack DeJohnette. Miles schrieb später: „Er legte das Fundament, auf dem jeder aufbauen konnte, und dann hielt er den Groove bis in alle Ewigkeit durch. Al Foster hatte einfach alles, was in Drummer haben muss.“
1975 hörte Miles für sechs Jahre auf zu spielen und verließ seine Wohnung zum Teil monatelang nicht mehr. Für diese Zeit wechselte Foster in die Band von Horace Silver. Nach seiner Rückkehr bastelte Davis mit der Musik von James Brown, Jimi Hendrix und Sly Stone im Ohr an einem neuen Sound – um, wie er sagte, wieder das junge schwarzes Publikum zu erreichen, das ihm nach „Bitches Brew“ zu weiß geworden war. 1985 verließ Foster die Band. Heute sagt er: „Ich war damals wütend auf Miles, weil er nur noch diese Rocksachen machen wollte. Später haben wir uns wieder vertragen, und ich habe bei seinem letzten Konzert mit ihm gespielt. Das war im Juli 91 in Paris.“ Danach spielte Foster mit Joe Henderson, Sonny Rollins und Carmen McRae und übernahm kleine Filmrollen, wie den Nachtwächter in „Sneakers“. Erst 1997, da war er 53, erschien beim Bremer Plattenlabel „Laika“ sein bisher einziges Album als Bandleader: „Brandyn“, ein Quartett mit Dave Kikowski, Doug Weiss und dem Saxofonisten Chris Potter.
Bassist Doug Weiss ist auch jetzt wieder dabei. Da Potter inzwischen selbst so erfolgreich ist, musste Foster sich nach einem neuen Saxofonisten umsehen und hat jetzt Tim Ries in seiner Band, dazu den Pianisten Aaron Goldberg. Vor seinem Konzert in Braunschweig sagte er: „Ich stehe eben auf den klassischen Straight-Ahead-Jazz, den Quartett-Sound.“ Dabei empfindet er seine Musik heute als noch besser als auf „Brandy.“
Ende September möchte er wieder ins Studio, um ein weiteres Album aufzunehmen. Neben eigenen Sachen spielt er vor allem Stücke von Monk, Wayne Shorter und Miles. Immer mit dem ihm eigentümlichen leisen, langsam kommenden Rhythmus, der seinen Musikern viel Raum lässt. MAXI SICKERT
Ab 22 Uhr im Quasimodo, Kantstr. 12a, Charlottenburg
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