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Alte Geschichten zum Geburtstag

Pro Familia-VeteranInnen berichten über die schwierige Anfangszeit. Männer hauen lieber ab zum Fußball

FRANKFURT/MAIN taz ■ Es war eine Art Familientreffen bei Pro Familia in Frankfurt. Die Organisation feierte am Wochenende ihren 50. Geburtstag. Nach dem Festvortrag von Ingar Brüggemann, Generalsekretärin der International Planned Parenthood Federation, berichteten VeteranInnen aus den Gründertagen 1952 von ihrer Motivation, sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine Institution zur Ehe- und Familienberatung und zur Sexualaufklärung ins Leben zu rufen.

Millionen von Hilfe und Rat suchenden Frauen, vor allem auch Flüchtlingsfrauen aus den ehemaligen Ostgebieten, seien damals auch von ihren Frauenärzten mit ihren existenziellen Problemen alleine gelassen worde, sagte der heute 90 Jahre alte Rostocker Gynäkologe Mehlan. Abtreibung war streng verboten. Sexualaufklärung habe es nicht gegeben. Und Fragen der Verhütung seien tabu gewesen.

Noch bis 1953, erinnerte auch die Bundesvorsitzende von Pro Familia, Ingrid Langer, sei Ärzten mit dem Verweis auf ein Gesetz aus dem Jahre 1943 sogar noch mit der Todesstrafe gedroht worden, falls sie einen Schwangerschaftsabbruch durchführen sollten. Ein Jahr nach Gründung von Pro Familia wurde die Todesstrafenandrohung dann durch eine Strafrechtsreform abgeschafft. Allerdings blieb schon der Versuch, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, weiterhin strafbewehrt: für alle Beteiligten. Nur bei unabwendbarer Gefahr für das Leben der Mutter durfte abgetrieben werden. Eine kriminologische Indikation (Abbruch nach Vergewaltigung) war – trotz aller Interventionen auch von Pro Familia – in der Adenauer-Ära nicht durchsetzbar.

Die Ärztin Lilli Schmitt-Schieck (80) aus Bonn, die sich auch mit ihrem öffentlichen Bekenntnis „Ich helfe weiter!“ im Stern für die Abschaffung des Paragraphen 218 einsetzte und die dafür mit einem – später eingestellten – Ermittlungsverfahren überzogen wurde, erzählte dann von der Ignoranz ihrer Standesgenossen. Als „Hausfrauenärztin“ sei sie vom Fachärzteverband der Gynäkologen verunglimpft worden, nur weil sie bei Pro Familia „bei Eheproblemen“ die Partnerberatung eingeführt habe. Ihr Ziel sei es immer gewesen, „den verheirateten Frauen zu ihrem Glück zu verhelfen“. Da gab es viel Beifall für Schmitt-Schieck, vornehmlich von den anwesenden Frauen im Auditorium. Die Männer an den Stehtischen und im Foyer hatten nämlich schon Wichtigeres zu besprechen: die gerade zu Ende gegangene Fußballmeisterschaft.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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