: Hinhören und still sein
betr.: „Einer, dem es zu viel wurde“ von Björn Kern, taz.mag vom 4. 5. 02
Björn Kern schreibt, dass es viele gibt, wie diesen Einen, dem es zu viel wurde. Jugendliche, die sich in ihren Ängsten und ihrer Suche nach Sinn im Leben alleine fühlen, in einer Gesellschaft, die nur auf ökonomischen Gewinn, Karriere und Anerkennung aus ist. Unsere Gesellschaft nehme die globalisierungskritischen Proteste, wie sie sich in Seattle und Genua manifestiert haben, nicht ernst.
Da frage ich mich doch, wann hat eine Gesellschaft jemals einen so kurzweiligen Aufschrei ernst genommen hat. Natürlich war der 11. September ein willkommener Anlass, um sich nicht mit den Forderungen der globalisierungskritischen Demonstranten auseinandersetzen zu müssen. Vor dem Hintergrund der Terrorbekämpfung wurden die Globalisierungskritiker sprachlos. Die gerade aufkommende Bewegung erstickte im Keim, zu mindest aber schweigt sie beharrlich. Woran aber liegt das? Sind es nicht vielmehr die Mehrheit der Jugendlichen und die junge Generation selbst, die den Protest nicht ernst nehmen? Ist es nicht die Aufgabe und die Verantwortung besonders der jungen Menschen sich für eine gerechtere und menschenfreundlichere Zukunft einzusetzen?
[…] Der jungen Generation fehlt es nicht an Träumen und Verbesserungsvorschlägen für eine gerechtere und humanere Gesellschaft und Staatengemeinschaft. Sie hat bloß verlernt, an ihre Umsetzbarkeit zu glauben. Die heute so gelobten Tugenden wie Risikobereitschaft und Flexibilität sind ja nicht an sich negativ. Es wird bloß Zeit, dass wir diese antrainierten Fähigkeiten endlich einmal benutzen und etwas für unsere Zukunft riskieren. Wir sollten dafür sorgen, dass die Proteste um die Globalisierung nicht zur Eintagsfliege werden; wir sollten sie vielmehr als Chance begreifen unseren Forderungen nach einer nachhaltigen Umgestaltung der Gesellschaft Nachdruck zu verleihen.
MARIA BUSS, Osnabrück
betr.: „Unser Littleton“, Kommentar von Barbara Dribbusch, taz vom 27. 4. 02
Wie billig, mal wieder auf internationale Vorbilder in den Medien zu verweisen, die Menschen hier veranlassen, zur Knarre zu greifen. Da spricht man diesem Schüler, der die Tat beging, die Motive, seine Wut, seine Verzweiflung ab. […]
Erinnern wir uns noch an Lennons working class hero? – Blöde, hirnlose Idioten braucht das Land, Abitur inbegriffen, ab Geburt angestrebt. Die Kinder bügeln wir uns für unsere schöne, neue Welt der global players mit Militär- und Autoindustrie und anderen Menschen verachtendem big business zurecht. Da stört es, wenn Abbrecher, Schulversager und Verzweifelte Aufmerksamkeit erregen. […] Dieser einsame junge Mann, ein Nichts ohne Schulabschluss, muss erst eine Reihe von Menschen mit auf seinen Gang von dieser Welt nehmen! Scham und Grauen sollte uns Erwachsene packen!
Tracy Chapman hat schon vor Jahren diese Szenerie in einem Song über diese allein gelassenen, zornigen Jungen gepackt: „Bang, bang, bang / song for little man“ – 1992. Für mich 2002 auch „song for Robert“. Vielleicht hören wir hin – und sind erst mal still. GUNDULA HEINE, Hildesheim
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