piwik no script img

berliner szenen Besuch aus München

Toll hier!

Besuch aus München hat sich angekündigt. Michi und Julia, die ich beim Studium kennen gelernt habe, möchten sich mit mir zum Kaffee treffen. Ich freue mich, weiß aber leider schon genau, wie das Treffen ablaufen wird. Mindestens einer von den beiden wird eine Sonnenbrille im Haar und/oder beigefarbene Hosen tragen. Egal, welches Café ich wähle, sie werden es als Beweis sehen, dass Berlin viel cooler sei als München und die Leute alle so interessant. Bei jeder Bestellung werden sie lautstark über die Berliner Preise lachen. Meinen Einwand, dass man in Berlin ja auch bei weitem weniger verdiene als in München, werden sie nicht gelten lassen und vorwurfsvoll auf die unzähligen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung hinweisen. Dann wird einer von ihnen ein Loblied auf die „coolste Stadt Deutschlands“ anstimmen: „Ach, hast du’s gut, in so einer coolen Stadt zu wohnen. Ich würde ja auch hierher ziehen, aber …“ Für meine leisen Hinweise auf die desolate Jobsituation und meine Arbeitslosigkeit werden sie schon keine Zeit mehr haben, denn sie werden rechtzeitig ins schreckliche „Cibo Matto“ müssen, um sich dort aufs Tanzen in einem noch schrecklicheren Club einzustimmen. Bevor sie gehen, wird das Wort „Love Parade“ fallen. Dann werden sich unsere Wege trennen.

Am Samstag dann im „Gorki Park“: Michi und Julia kommen lachend durch die Tür und berichten begeistert, wie billig die Berliner Parkscheine seien. Mit neidvollem Blick fixieren sie die lässig gekleideten Mittzwanziger im Raum, dann sagt Michi: „Ach, Berlin ist doch einfach cool. Du hast vielleicht ein Glück, hier zu wohnen …“ Ungefragt biete ich ihnen meine Wohnung für die Dauer der Love Parade an. Da werde ich nämlich wegfahren – nach München. NINA APIN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen