piwik no script img

Big BVG is watching you

Auf der Linie 20 kann man schon mal probefahren: Die Berliner Verkehrsbetriebe rüsten jetzt auch Straßenbahnen mit Videoüberwachung aus. Die 13.000 Euro teuren Anlagen sind gut versteckt und sollen Sachbeschädigungen verhindern

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

„Video? Nö. Wo denn?“. Die Antwort ist immer die gleiche. Von den Fahrgästen in der Straßenbahnlinie 20 ist niemandem bewusst, dass er gerade von mehreren Kameras ins Visier genommen wird. Seit vergangener Woche lässt die BVG die Strecke zwischen Warschauer und Eberswalder Straße mittels Hightech überwachen. Bislang nur in 2 modernen Niederflurzügen, bis Mitte Juni sollen 28 weitere nachgerüstet werden.

„Warum soll mich das stören?“, sagt Elfriede Simesch, eine Frau im gesetzten Alter, die Richtung Prenzlauer Berg fährt. „Ich hab doch kein schlechtes Gewissen.“ Bemerkt hat sie die Überwachung aber auch nicht. Die kleinen Piktogramme mit einem symbolisierten Auge und der Aufschrift „Video“, die neben den Eingangstüren kleben, sind leicht zu übersehen. Auch im Innenraum findet man nur oben im Winkel kleine weiße Aufkleber: „Fahrzeug wird videoüberwacht“. Die vier Miniaturkameras selbst, die den gesamten Innenraum erfassen, sind in den digitalen Stationsanzeigen an der Decke der Waggons versteckt. Wer genau hinsieht, kann die winzigen Linsen hinter der getönten Abdeckung aufspüren.

Nicht jeder hat Verständnis. „Man fühlt sich überwacht, das nimmt ja generell immer mehr zu“, klagt der Abiturient Christian Herzig. „Wenn es ins Ghetto geht, nach Hohenschönhausen oder so, ist das vielleicht sinnvoll. Aber hier?“ Eine Rentnerin mit riesiger, viereckiger Sonnenbrille weiß dagegen um die Gefahren der Strecke. „Der Teufel los ist ja hier nachts“, sagt sie mit verschwörerischer Stimme. „Da erlebt man die dollsten Dinger.“ Was genau, fällt ihr dann aber auch nicht ein. Und ihren Namen mag sie lieber nicht nennen.

„Wir wollen die Sicherheit erhöhen und den Vandalismus eindämmen“, formuliert BVG-Sprecher Ulrich Mohneke das Ziel des Feldversuchs. Die Kosten, die den Verkehrsbetrieben durch Graffiti und Sachbeschädigung entstanden sind, seien von 9 Millionen Euro 1996 kontinuierlich auf 5,5 Millionen Euro im vergangenen Jahr gesunken. Mohneke schreibt den Rückgang vor allem dem verstärkten Einsatz technischer Überwachungsmittel zu.

Der Aufrüstung in den Trambahnen ging ein intensiver Schriftwechsel mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten voraus. „Uns war wichtig, dass es nur eine anlassbezogene Aufzeichnung gibt“, heißt es in dessen Büro. Die BVG habe durchsetzen können, dass die Daten zunächst 24 Stunden erhalten bleiben. Danach aber werden sie automatisch gelöscht. Es sei denn, der Fahrer bemerkt während der Fahrt oder beim Kontrollgang an den Endhaltestellen eine Straftat. Per einfachen Knopfdruck wird dann das komplette Geschehen eine Stunde vor bis eine Stunde nach der Auslösung gesichert und die Daten gegebenenfalls an die Polizei weitergeleitet.

Ob sich die pro Zug 13.000 Euro teuren Anlagen tatsächlich lohnen, will die BVG in nächster Zeit prüfen. Die Fahrer sind ein wenig skeptisch. Über ihren Köpfen, wo früher der Rückspiegel war, hängt jetzt ein Monitor. „Während der Fahrt habe ich keine Zeit, da drauf zu kucken“, sagt einer, der zum ersten Mal mit der neuen Anlage unterwegs ist. Zudem müssten die Täter nach der Aufzeichnung auch noch identifiziert werden. „Aber vielleicht schreckt es ja ab, wenn doch mal einer erwischt wird.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen