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Angreifen, wo die Opposition schwach ist

Mit dem Konzept der „Nachhaltigkeit“ entwirft Gerhard Schröder eine positive Vision der Globalisierung. Die CDU ist noch auf der Suche danach

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder versucht, das Terrain des Wahlkampfes neu zu definieren. In seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag formulierte er gestern ein politisches Gesamtkonzept unter dem Titel „Nachhaltigkeit“.

Die rot-grüne Regierung wolle, so Schröder, „wirtschaftlichen Erfolg, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verträglichkeit“ miteinander verbinden. Die Globalisierung lasse sich unter dem „Leitbild der Nachhaltigkeit“ so gestalten, dass sie keine Gefahr, sondern die „Chance unseres Jahrhunderts“ bedeute.

Aber was ist „Nachhaltigkeit“? Ursprünglich ein ökologisches Konzept, demzufolge der Verbrauch von Ressourcen die Regenerationsfähigkeit der Natur nicht überschreiten darf. „Doch man sollte den Begriff nicht zu sehr verengen“, sagte Schröder. Um mit einer positiven Vision nicht nur der Globalisierungsangst rechter Provenienz zu begegnen, sondern auch der Globalisierungskritik von links, füllt die SPD nun vieles in das neu entdeckte Begriffsgefäß: Arbeitsplätze, Wohlstand, Modernisierung, Familienpolitik, Haushaltssanierung. Vier Monate Zeit bleiben, um die sperrige Worthülse in die Köpfe der Wähler hineinzuargumentieren.

Das Konzept „Nachhaltigkeit“ dient dazu, vier Jahren rot-grüner Politik rückwirkend Erfolg zu bescheinigen. Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und dem Einstieg in die erneuerbaren Energien stehe Deutschland am Beginn einer technologischen „Effizienzrevolution“, die dem Land einen der ersten Plätze bei der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung sichere. Schröder verwies auf die neuen Arbeitsplätze, die mit dem Wechsel der energiepolitischen Prioritäten entstünden. Er hielt der CDU entgegen, mit der von ihr beabsichtigten Revision des Ausstiegs habe nicht mehr zu bieten als die „Rückkehr in die Vergangenheit“.

Hans-Martin Bury, Staatsminister im Kanzleramt, hatte die Nachhaltigkeitsstrategie bislang weitgehend ohne den grünen Koalitionspartner entwickelt. Nun kommt die Umweltpartei mit ihren Themen prima darin unter.

Schwierigkeiten mit der Allround-Vision hat die Opposition. CDU-Chefin Angela Merkel sagte: „Das Gegenteil von Nachhaltigkeit ist ‚Versprochen und gebrochen‘.“ Sie warf Rot-Grün vor, ihre Versprechungen nicht eingehalten zu haben: Weder sei die Belastung mit Sozialabgaben auf stabil unter 40 Prozent gesunken, noch werde Deutschland die Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 25 Prozent bis 2005 schaffen. Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) rede, so Merkel, nur von der Bio-Landwirtschaft und vergesse „97 Prozent der Bauern“. Nachhaltigkeit sei gut und schön, schimpfte die CDU-Vorsitzende, doch man müsse die zusammen mit den Menschen organisieren, und nicht gegen sie. HANNES KOCH

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