: Staatliche Kokskammer
Im BKA lagern Tüten mit weißem Inhalt. „Operation Rubikon“ deckt es auf. Ein gelungener Thriller – auch wenn er sich allzu sehr von der Realität distanziert (heute und morgen 20.15 Uhr, Pro7)
von CHRISTIAN BUSS
Die Asservatenkammer des Bundeskriminalamts erinnert an die Höhle von Ali Baba: Wenn sich die Stahlpforte öffnet, funkelt es märchenhaft. Ein paar tausend Kilo Koks werden hier gelagert, und die stimmungsvolle Beleuchtung lässt die weißen Tüten als einen Schatz von unermesslichem Wert erscheinen.
Dieser Reichtum zieht Typen an wie den Industriellen Krupka (Jörg Schüttauf), der mit seinem auf illegale Waren spezialisierten Speditionsunternehmen zu einem der mächtigsten Männer Deutschlands geworden ist und sich durch ein Netz aus Verbindlichkeiten als Staatsrat des Innenministers positioniert hat. Waffen und Drogen sind die wichtigsten Waren seiner Transfergeschäfte. Als die ins Stocken geraten, bedient sich Krupka aus der Schatzkammer des BKA.
Es gibt gute Gründe, „Operation Rubikon“ zu loben. In dem Zweiteiler, der als deutsche Antwort auf Steven Soderberghs Drogenstudie „Traffic“ konzipiert worden ist, breitet sich ein monströses Geflecht aus Kapital, Koks und Korruption aus. So maßlos das Komplott erscheint, an dem sich die Bundesanwältin Sophie Wolf (Maria Schrader) und ihr bärbeißiger Vater, BKA-Chef Wolf (Hilmar Thate), abarbeiten – der Fall ist in sich schlüssig. Man muss kein weißes Pulver konsumieren, um den bizarren Aufstieg des intriganten Krupka zum Politfunktionär mit Schlüssel zur BKA-Asservatenkammer plausibel zu finden.
Allerdings funktioniert das Verschwörungsszenario dann doch nicht ganz so wie von den Machern beabsichtigt: Es sieht so unverschämt edel aus, dass man es nicht als reale Möglichkeit in Betracht ziehen mag – auch wenn allenthalben Bezüge zur eigentlich piefigen bundesrepublikanischen Wirklichkeit geliefert werden. All die Waffenhändler und Kofferträger mit Spendengeldern in „Operation Rubikon“ taugen in ihrer konspirativen Eleganz kaum zur Spiegelung realer Vorfälle. So wird lapidar auf Affären der letzten Jahre verwiesen, jedoch kaum ein konkreter Hinweis ausgestreut.
Überhaupt wirkt es so, als habe die Rechtsabteilung von Pro7 jede mögliche Übereinstimmung mit realen Personen übereifrig aus der Handlung getilgt. Zu allem Überfluss handelt es sich bei den Politikern, die ihren miesen Einfluss aufs BKA geltend machen, noch um Mitglieder einer großen Koalition – als wollte man keine der großen Parteien allein an den Pranger stellen.
Dabei ist „Operation Rubikon“ keineswegs im politischen Vakuum entstanden. Als Berater fungierte Hans-Ludwig Zachert, der bis 1996 Präsident des BKA war. Zachert sollte ein bisschen Stallgeruch aus jener Behörde vermitteln, die nur im Geheimen ermittelt. Bei der klandestinen Arbeitsweise des Vereins fällt es schwer, Verfehlungen im Film nachzuweisen. Zachert selbst jedenfalls zeigt sich in den Interviews, die er im Vorfeld gegeben hat, begeistert. Was nicht verwundert, schließlich ist die Produktion eine späte Genugtuung für ihn. Vor seinem Ausscheiden hatte er die Entscheidungsträger in der Politik vergeblich darauf aufmerksam gemacht, dass es immer stärkere Vernetzungen der deutschen Behörden mit dem organisierten Verbrechen gäbe. Damit eckte Zachert an; die Souveränität seines Nachfolgers wurde stark beschnitten.
„Operation Rubikon“ funktioniert nun als Plädoyer für ein autarkes BKA. Gegen Drangsalierungen durch die große Politik muss im Film denn auch Behördenboss Wolf antreten. Nachdem sich herausstellt, dass eine Allianz aus bolivianischer Drogenmafia und deutschen Waffenschiebern von ganz oben gedeckt wird, schart er eine Gruppe Ergebener um sich und zelebriert das konspirative Tischgespräch wie eine Tafelrunde unter Rittern. So steigert sich „Operation Rubikon“ immer wieder ins Sagenhafte. Immerhin: Der Thriller ist der erste Film, der die Arbeit des BKA thematisiert.
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