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Aufgemalte Flauschigkeit in Deichtorhallen

Den Schatz heben. Den Staub von den Steinplatten blasen. Fundstücke sortieren, Formen interpretieren. Die Archäologen Marion de Beaupré, Stéphane Baumet und Ulf Poschardt stehen über ihr Ausgrabungsgut gebeugt. „Archäologie der Eleganz“ wollen sie ihr Projekt nennen, und weil es auf Reisen gehen soll, geben sie ihm den Titel: Archeology of Elegance 1980–2000. Erste Station Hamburg, Deichtorhallen.

Die Kuratoren haben für ihre Schau die jüngste Schicht der Modefotografie gehoben und gesichtet. Ihre Ordnung ist unter die Kategorien „Glamour“, „Punkrock“, „Hightech“ und „Art“ gefasst; in der Ausstellung tauchen diese Orientierungspunkte als Bewegungsrichtung auf. Zu sehen sind 150 Fotografien von 65 Fotografen aus den vergangenen 20 Jahren Modefotografie, die dem Wechselspiel von Modefotografie und Kunst nachspüren. Doch die exakte Verknüpfung beider Kontexte bleibt unklar – vielleicht aufgrund der zeitlichen Nähe der Betrachter und weil künstlerische Positionen in der Ausstellung fehlen. Denn letztlich stellt die Schau die allbekannten Fragen: Wie verkauft man Lifestyle? Folgen die üblichen Antworten: mit schönen Frauen, Posen, Märchenszenarien, Provokation, Irritation – eben jenem Bruch mit gängiger Werbe- bzw. Kunstästhetik, der für kurzzeitige Aufmerksamkeit sorgt.

Zudem beweisen die ausgewählten Arbeiten einmal mehr, dass Werbung über Immaterielles – Coolness, Ruhm, Schwerelosigkeit, Anonymität, Sex, – funktioniert. Wenige Aufnahmen – wie das Plakatmotiv zur Austellung – spielen mit der Diskrepanz von Innen- und Außensicht auf dieses In-Szene-Setzen: Und in manch kunstvoller Inszenierunge des Fotografen entpuppt sich sogar die Flauschigkeit der Außenwelt als aufgemalte Kulisse. Modefotografen wie Peter Lindberg, Pierre Winther und Bettina Rheims dagegen operieren mit genialen Hintergrund- und Körperinszenierungen. Doch kaum jemand lässt so ratlos zurück wie Mario Sorrentis dead story: Nacht, schwarze Limosine, Blutflecken, Polizeimarkierung einer (abtransportierten) Leiche, zwei verlorene rosa Schühchen. Die Archäologen stehen vor einem Rätsel.

Christian T. Schön

Archeology of Elegance 1980–2000, Deichtorhallen; Di–So 10–18 Uhr; bis 25. August, Katalog (ab Juni) 32 Euro

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