: Schneller bezahlen, weniger Pleiten
Neben der schlechten Konjunktur ist mangelnde Zahlungsmoral der Grund für viele Insolvenzen. Regierung erließ vor zwei Jahren Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen – mit wenig Erfolg. Jetzt planen CDU-Länder neuen Entwurf
BERLIN taz ■ Die Negativprognosen für den Mittelstand überschlagen sich. „Deutlich mehr“ als die ohnehin schon erwarteten 60.000 Arbeitsplätze werden in diesem Jahr im Handwerk verloren gehen“, prophezeite Handwerkspräsident Hanns-Eberhard Schleyer gestern. Zuvor hatte schon der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen für 2002 rund 37.200 Pleiten vorhergesagt, die bis zu 600.000 Jobs kosten sollen. Aus den gleichen Gründen, die Schleyer bemühte: neben der schwachen Konjunktur die schlechte Zahlungsmoral privater und öffentlicher Auftraggeber.
In der Politik ist das Problem bekannt. Vor zwei Jahren brachte die rot-grüne Bundesregierung ein „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“ ein. Seitdem müssen Rechnungen auch ohne Zwischenmahnung spätestens 30 Tage nach Fälligkeit beglichen sein. Sonst gerät der Schuldner in Verzug – und auch der ist teurer geworden: Der Rechnungsbetrag wird mit 5 Prozent über dem Basiszinssatz, also derzeit 7,57 Prozent, verzinst. Zudem können Werkunternehmer auch schon für fertige Teile einer Arbeit Abschlagszahlungen verlangen.
Das Gesetz brachte jedoch nicht den erhofften Erfolg. „Man muss sich überlegen, ob der Gesetzgeber der richtige Ansprechpartner ist“, so Andrea Boehnke, Sprecherin des Bundesjustizministeriums, zur taz. Die Justizminister der CDU-geführten Länder Sachsen und Thüringen sehen das anders. Sie wollen einen eigenen Entwurf in den Bundesrat einbringen. Kernpunkte sind eine bessere Stellung von Subunternehmern gegenüber Hauptunternehmern, ein Eigentumsvorbehalt bei eingebautem Material, eine zentrale Auskunftsstelle „zum Zahlungsverhalten natürlicher und juristischer Personen“ sowie die Möglichkeit von Voraburteilen bei Mahnprozessen, mit denen eine Verschleppung über die Instanzen verhindert werden soll. Sachsen-Anhalt will sich der Initiative, die nächste Woche im Rechtsausschuss ist, anschließen.
Unterstützung finden die CDU-Länder ausgerechnet bei der PDS. Aus dem Büro des mittelstandspolitischen Sprechers, Rolf Kutzmutz, heißt es, der sächsische Entwurf entspreche weitgehend PDS-Forderungen. Wichtig sei, die Mahnjustiz zu beschleunigen. Dazu gehöre neben einer „überschaubaren Zahl von Gerichten“ und automatisierten Verfahren auch eine bessere Ausstattung, damit etwa Gerichtsvollzieher schnell genug tätig werden können.
Im SPD-geführten Bundesjustizministerium und bei den Grünen weist man die Vorschläge zurück. So bedeute der geforderte Eigentumsvorbehalt, dass etwa ein Elektriker die von ihm verlegten Kabel wieder ausbauen und mitnehmen könnte. Boehnke: „Das nützt ihm doch überhaupt nichts.“ Im Büro des rechtspolitischen Grünen-Sprechers Volker Beck bezweifelt man, dass die Interessen der Verbraucher genügend berücksichtigt wurden. „Warum sollte man für mangelhafte Werke schon mal bezahlen müssen?“ Richtig zufrieden mit dem bisher Erreichten sind SPD und Grüne jedoch auch nicht. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Verbände, der Länder und des Ministeriums soll Abhilfe schaffen.
BEATE WILLMS
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