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Schein und Dagegen-Sein

Neue Unwägbarkeiten: Mit Ray Loriga und Marcos Giralt Torrente stellt das Instituto Cervantes in dieser Woche zwei junge spanische Gegenwartsautoren vor, die ganz ohne Pop-Pose daran beißen, was Biografie bedeutet

Der Roman „Trífero“ beginnt mit „einer Bewegung, die sich dem rhythmischen Lauf der Dinge widersetzt“. Das Nonkonformistische spielt eine große Rolle in den Texten des 1967 in Madrid geborenen Ray Loriga. Er hat Drehbücher geschrieben, unter anderem für Almodóvar, und er war einer der ersten Autoren, die das Leben junger Menschen im Spanien der 90er Jahre literarisch in den Blick nahm.

Einige Texte von Ray Loriga und dem nur wenig jüngeren Marcos Giralt Torrente, die das Bremer Instituto Cervantes in zwei Lesungen dem hiesigen Publikum vorstellt, sind in deutscher Übersetzung erhältlich.

Geboren Ende der 60er Jahre, fiel das Ende der Franco-Diktatur in die Kindheit von Giralt Torrente und Loriga. Ihre Jugend verlebten sie in einer Zeit des Umbruchs und der gesellschaftlichen Veränderung. Sie gehören zu einer Generation von Autorinnen und Autoren, die sich abarbeitet an der Erinnerung von Vergangenem, aber auch an dessen Gegenwärtigkeit.

Zugleich aber ist die Diktatur nicht dem irdischen Elysium gewichen, sondern neue, andere Unwägbarkeiten treten auf den Plan. Ist es Zufall, dass in den Texten Lorigas und Giralt Torrentes so oft Schein und Sein durcheinanderwirbeln, dass man bei den Figuren nie sicher sein kann, ob alles stimmt? Die Biografie, die einem erzählt wird, die Einstellung, die man vertritt, die Versprechen, die im Brustton der Überzeugung in den Raum gestellt werden – das ewige Spiel von Erinnerung und Vergessen wird auf kaum überschaubare Arten und Weisen durchdekliniert.

Dass dies gelingt und spannend bleibt, mag daran liegen, dass Genres und Erzählweisen munter gemixt werden. Vielleicht aber auch daran, dass sich diese Texte nicht in pop-mythisch überhöhten Erlebnissen wie Partys und Plattenkauf verheddern.

Ungleich einem Großteil der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vermeiden Loriga und Giralt Torrente sowohl belangloses Geplauder als auch die oft bis zur Selbstverliebtheit trostlose Über-Konstruiertheit. Was die beiden Spanier erzählen, hat Hand und Fuß.

Tim Schomacker

Ray Loriga liest am Dienstag, 4. Juni, aus „Trífero“, am Donnerstag, 6. Juni, stellt Marcos Giralt Torrente „In deinen Augen“ vor. Beide Lesungen sind zweisprachig und beginnen um 19 Uhr im Ambiente, Osterdeich 69a.

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