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Möllemann und kein Ende

Nachdem J. W. M. seine parlamentarische Geschäftsführerin vorgeschickt hat mit der unverfrorenen Forderung, Alt-Politiker der FDP sollten sich nicht länger in aktuelle Fragen der Partei einmischen, ist die Strategie eindeutig: G. Westerwelle wird als Vorsitzender und Kanzlerkandidat scheibchenweise öffentlich demontiert, der Bruch mit Liberalen wie H. Hamm-Brücher, G. Baum, B. Hirsch, H.-D. Genscher, Graf Lambsdorf u. v. a. und deren Austritt wird bewusst provoziert – und der Weg ist frei. Frei für den wahren Führer der FDP, der jetzt Morgenluft wittert, seinen persönlichen Machtkampt auf Kosten liberaler Grundwerte zum Erfolg zu führen. Schon heute weitgehend befreit vom Ballast aus Inhalten und Positionen, geht der Vorsitzende der NRW-FDP weiter auf seinem Weg – willig gefolgt von seinem Landesverband.

[…] Alle Liberalen und Demokraten – gleich welcher Partei – sollten sich gemeinsam gegen den Einzug dieser verhängnisvollen Bereitschaft zur Bedienung plattester Vorurteile stemmen. Insbesondere NRW-Ministerpräsident Clement, der sich ungewohnt schweigsam verhält angesichts des Treibens seines potenziell bevorzugten Koalitionspartners, aber auch der CDU-Oppositionsführer J. Rüttgers sind gefordert, klar Position zu beziehen. Sonst wird Möllemanns Strategie aufgehen: kalkulierend auf den unbedingten Regierungswillen der großen Parteien um jeden Preis. Den Gefallen dürfen um der demokratischen Werte willen aber SPD und CDU nicht tun, wenn sie sich nicht gemein machen wollen: nicht um jeden Preis! DORIS LAMBERTZ, Hürth

Wenn ich Westerwelle unterstellen würde, er sei ein antisemitischer Volksverhetzer, dann würden er das als unerhörte Beleidigung zurückweisen. Aber Herr Westerwelle, Kritik unter Freunden wird doch wohl noch erlaubt sein. Schließlich bewerteten Sie Möllemanns Äußerung „Scharon sei ein Kriegstreiber“ auch als erlaubte Kritik unter Freunden und nicht als unerhörte Beleidigung des israelischen Volkes, die diesem unterstellt, wie die Deutschen 33 einen Verbrecher an die Macht zu wählen und ihn trotz aller vorhandenen demokratischen Instrumente an der Macht zu lassen.

Und wenn Linke bei der Berliner Demonstration Plakate mit „Bush ist ein Mörder“ tragen, dann ist das kein Antiamerikanismus, sondern lediglich erlaubte Kritik an unseren amerikanischen Freunden. Und wenn Rechte „Ausländer raus“ skandieren, dann ist das kein Ausländerhass, sondern nur erlaubte Kritik an unseren ausländischen Freunden. Und wenn ich die gute alte FDP-Elite energisch auffordere, endlich ähnlich freundschaftlich gemeinte Kritik unter dem Motto „Jetzt ist Schluss mit lustig“ an die beiden Obernarren der Partei zu richten, damit sie den Spaß nicht zu weit treiben, dann bin ich doch kein Spaßverderber, sondern nur ein Kritiker unter Freunden. HARTMUT HANNASKE, Berlin

betr.: „Über die Wahlerfolge von Rechtspopulisten“, taz vom 27. 5. 02

Herrn Möllemanns Beitrag im Neuen Deutschland lesend, den Sie in der taz abgedruckt haben, erfährt man, dass – Haider, Pym Fortuyn und Genossen sei Dank – eine „Emanzipation der Demokraten“ stattgefunden habe. Politiker, die das nicht sähen, seien blind. Herr Möllemann sticht uns den Star. Gewiss trugen zum Erfolg dieser Populisten eine Menge Protestwähler bei. Herr Möllemann verschweigt die anderen, bei denen er auf Stimmenfang aus ist:

Dass sie für ihre Ressentiments endlich ein Ventil in den rassistischen/antisemitischen Auslassungen dieser Herren fanden. So mausert sich das „gesunde Volksempfinden“ zu einer „Emanzipation der Demokraten“. Für eine solche Emanzipation, für die Herr Möllemann so schamlos wie schäbig argumentiert, sollte nach der Schoah, vielen Pogromen und ethnischen Vertreibungen in Deutschland wie in Europa kein Platz sein.

PETER R. FRANK, Heidelberg

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