: Mehr als nur einen Hit
Eine Frage der Sozialisation, nicht der Abstammung: Bobby Hebb beweist, dass Country nicht nur der „Blues des weißen Mannes“ ist
von LARS BULNHEIM
„Ein purpurner Himmel erschien mir, und plötzlich hatte ich ‚Sunny‘ in meinem Kopf“, erzählt Bobby Hebb – und verklärt damit den Song, der ihm die Rente sichert, zum Mysterium. „Sunny“ verkaufte über eine Million Kopien und wurde rund 500 mal gecovert. Vorletztes Jahr erschien ein Album mit ausgesuchten Coverversionen und verkaufte sich, dank Promo-Parties ebenfalls vorzüglich; unlängst wurde mit Teil 2 nachgelegt. „One Hit Wonder“ nannte die Rockschreibe den Glückstreffer. Was dieser Begriff und die genannte Compilation-Reihe gemeinsam haben, ist die Reduzierung eines Lebenswerks. Kein Song fällt wie Manna vom Himmel, und die Sunny-Sampler verhalten sich zu sorgfältig edierten Werkschauen wie die Bundesliga-Berichterstattung von ran zum Stadionbesuch.
Aufgewachsen in Nashville, machte der 3-jährige Bobby Hebb als Steptänzer erste Bühnenerfahrungen. Als Knirps durfte er Hank Williams die Hand drücken, und der diktierte ihm ins Hausaufgabenheft des angehenden Songschreibers den Satz: „Einen Song schreibt man wie einen Brief.“ Mit 12 Jahren engagierte ihn Country-Musiker Owen Bradley als Percussionisten, schließlich warb ihn Roy Acuff für seine Band ab, eine der dominantesten Figuren in Nashvilles Country- & Western-Szene. Hebb war der dritte Afroamerikaner überhaupt, der in Nashvilles Country-Tempel, der Grand Ole Opry, die Bühne betrat.
Den unterstellten Rassismus des Redneck-Genres Country bestreitet Hebb nicht, weist aber auf die integrierende Autorität des Bandleaders hin: „Roy Acuff hat sich allen rassistischen Anfeindungen mir gegenüber entgegengestellt.“ Nach den Gemeinsamkeiten der Genres befragt, antwortet er: „Ich würde Country und R‘n‘B nicht gegeneinander ausspielen, beide Stile sind eng miteinander verwandt.“ Dass der vermeindliche „Blues des weißen Mannes“ auch manche Afroamerikaner eine Träne ins Bier hat weinen lassen, wird gerne ignoriert. Man denke an Charlie Pride oder an Solomon Burke, der dank seines Country-Souls einst vom Ku Klux Klan eingeladen wurde. Freilich wussten die Rassisten nicht, dass das Country-Album, das sie so liebten, von einem Schwarzen eingespielt wurde. Musiker wie Bobby Hebb stehen für die einfache, aber notwendige Erkenntnis, dass ethnische Genrezuschreibungen nicht nur falsch, sondern selbst rassistisch sind. Stil ist eine Frage der Sozialisation, nicht der Abstammung.
Bobby Hebbs biographische Daten lesen sich wie ein „Who Is Who“ der Amerikanischen Musik: Mit Bo Diddley spielte er einen Song ein, Earl Gaines, Larry Birdsong, Roscoe Shelton, Sylvia Robinson, die später das erste Rap-Label, Sugarhill, gründete; Nicholas Ashford, Valerie Simpson, Melba Moore: Sie alle bedienten sich seines Talents.
In New York gündete er mit dem Saxophonisten Jimmy Castor und dem Funk-Innovator Bernard „Pretty“ Purdie eine Hausband für einen Nachtclub, um schließlich Solo im Folkboom der 60er ein Engagement im East Village zu bekommen. In dieser Zeit entstand ein denkwürdiges Crossover-Album: die Songs Country und der Beat R‘n‘B. Als „Sunny“ die Charts eroberte fand sich Bobby Hebb im Vorprogramm der letzten USA-Tour der Beatles wieder. Alkohol, eine Scheidung und die Kündigung von Phillips ließen die ausgehenden 60er Jahre zum Karrieretiefpunkt werden. Aber Songs schrieb er weiter: Für Lou Rawls den Top-20-Hit „A Natural Man“, eine Black-Power-Hymne. Ein weiteres Album wurde eingespielt, eine eigene Plattenfirma und ein eigener Verlag gegründet. Nur die großen Erfolge blieben aus. Ein professionelles Musikerleben also, mit allen Höhen und Tiefen – nur eben in der öffentlichen Wahrnehmung auf „Sunny“ reduziert.
Sonnabend, 21 Uhr, Molotow
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