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Getäuscht oder gepennt? Grüne: „Sie sollten sich schämen!“

Aktuelle Stunde im Parlament: Wer konnte wann wie viel von der künftigen Sichtbehinderung auf die tiefer gelegten Laufbahnen im Weserstadion wissen? 50 Exemplare der Machbarkeitsstudie waren in Umlauf. Die CDU will die Aufregung nicht verstehen, die SPD findet sich schuldlos und die Grünen schäumen über – ein Tag in der Bürgerschaft

Am schönsten war das Argument von CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff: Die Leichtathleten sind schuld. Schuld, dass die eingeschränkte Sicht im Weserstadion auf tiefer gelegte Laufbahnen nun Leichtathletik-Wettbewerben den Garaus gemacht hat.

Der CDU-Mann hatte gestern wohl den schwierigsten Part. Die Grünen hatten in der Bürgerschaft eine aktuelle Stunde beantragt, Thema: „Tieferlegung Weserstadion: Posse oder abgekartetes Spiel?“ Während die grüne Opposition draufhauen konnte, die Grüne Karin Krusche von „Hinhalten, Tricksen und Täuschen“ sprach, während SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen sich über das CDU-Sportressort empören konnte und sich samt allen ParlamentarierInnen als „Ausgetrickste, Enttäuschte und Getäuschte“ bezeichnen konnte – während all dem musste Jens Eckhoff die Quadratur des Kreises versuchen. Einerseits darzulegen, dass der Skandal nicht wirklich einer sei. Dass man seit Beginn der Ausbauplanungen von den künftigen Sichtbehinderungen für die Laufbahn habe wissen können. Eckhoff: „Natürlich habe ich davon gewusst.“

Andererseits aber musste er sehr wohl das eigene Irritiertsein rechtfertigen und die Tatsache, dass ihm keineswegs stets präsent gewesen war, welche Auswirkungen die Tieferlegung tatsächlich haben werde. Ergo: Erstens sei es Bringfriede Kahrs gewesen, unter deren Ägide als SPD-Sportsenatorin der Weserstadion-Ausbau begonnen wurde. Zweitens habe er persönlich stets dafür plädiert, im Stadion die Möglichkeit für Leichtathletikveranstaltungen offenzuhalten, aber drittens haben nun „die Fachkundigen festgestellt, dass unter den jetzigen Voraussetzungen eine Bewerbung für nationale Meisterschaften keinen Sinn habe, weil die Sicht eingeschränkt ist.“ Die Leichtathletikverbände eben.

Was noch herauskam: Von der ersten Machbarkeitsstudie, die über die Sichtbehinderungen aufgeklärt hat, seien 50 Exemplare verteilt worden, hat Sportsenator Kuno Böse (CDU) recherchiert und wollte die Aufregung nicht recht verstehen, sei es doch stets nur um eine „Option“ für die neue Bahn gegangen und habe es keinen Beschluss gegeben, dass sie auf jeden Fall gebaut werde. Und überhaupt: War ja alles vor seiner Zeit.

„Allein dafür, dass 50 Exemplare der Studie in der Welt rumwabern, aber keiner sonst was weiß“, schimpfte Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert in Richtung große Koalition, „Sie sollten sich was schämen.“ Ihr sei es egal, ob SPD- oder CDU-geführt – der Senat habe einmal mehr völlig eigenmächtig gehandelt, für Linnert ein neuer, ein weiterer Fall der „katastrophalen Entmachtung des Parlaments.“

Zwar fanden die beiden Fraktionschefs der Koalition, Eckhoff und Böhrnsen, zum Schluss einen mehr oder minder gemeinsamen Nenner, nämlich den, dass die Sache nicht optimal gelaufen sei. Aber SPD-Mann Böhrnsen fühlte sich hierfür gänzlich nicht zuständig, was wiederum CDU-Mann Eckhoff „ein armseliges Bild“ fand, denn: „Es ist unsere Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren.“ In diesem Fall müssten sich die Parlamentarier daher „wohl stärker an die eigene Nase fassen.“ sgi

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