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Noch mal gut gegangen

Torsteher Oliver Kahn ist nach dem 2:0 der deutschen Mannschaft über Kamerun und dem Achtelfinaleinzug tatendurstig. Das Restteam oszilliert zwischen Überforderung und Pflichterfüllung

SHIZUOKA taz ■ Es heißt, die Regenzeit sei hereingebrochen über Japan. Sie kündigte sich an am frühen Dienstagabend mit einem kleinen Tornado, der von den Meteorologen für 18.30 Uhr angekündigt war. Tatsächlich hat es dann zu dieser Zeit viel geregnet und gewindet, auch über dem nagelneuen Shizuoka Stadium Escopa, und mit dem Tornado hätte es beinahe auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft aus diesem Turnier in Asien geweht. Was heißen soll: Es sah nicht gut aus für die fußballernden Burschen von Rudi Völler im letzten und entscheidenden Spiel der Gruppe E. Mehr noch: Es sah nach Heimreise aus, es roch nach dem Aus, dem schändlichen Aus bei dieser WM schon nach der Vorrunde, genau eine Halbzeit und fünf weitere Minuten lang.

So lange hatte Kamerun nach einer zehnminütigen Eingewöhnungszeit das Spiel bestimmt und auch den Gegner, hatte die deutsche Abwehr schwindelig gespielt und sich ein paar Chancen erarbeitet, die größte und sicherste bereits in der 13. Minute, als Thomas Linke, mal wieder, den Ball versemmelt hatte im Mittelfeld und dies Kameruns Olembe die Chance gab, sich wieselflink von dannen zu machen, vorbei am zuschauenden Carsten Ramelow und Richtung Oliver Kahn, an dem er dann doch scheiterte. Aber das war, wie gesagt, nur der Anfang, denn die Kameruner hörten nicht auf, den Ball laufen zu lassen und die deutschen Spieler gleich mit. Da und in der Folge hätte man keinen Pfifferling mehr geben mögen für die deutsche Mannschaft bei dieser WM, schon gar nicht, nachdem Carsten Ramelow als Zeichen seiner Überforderung zweimal nur noch regelwidrig eingreifen konnte und dafür nach 40 Minuten die gelb-rote Karte sah. Da herrschte endgültig Alarmstufe Rot im deutschen Team, das von Völler unverändert ins große Match geschickt worden war, und am besten sah man das Oliver Kahn an, der weit aus seinem Kasten herausgekommen war und von Völler, seinem Chef, Umstellungen in der wackelnden Mannschaft forderte.

Völler stellte tatsächlich um, in der Pause, er machte aus der wackelnden Dreier- eine in der Folgezeit recht stabil wirkende Viererkette, und er brachte Marko Bode für den schwächlichen Carsten Jancker. Schon sechs Minuten später hatte sich vor allem dies bezahlt gemacht: Miroslav Klose grätschte im Mittelfeld einem Gegner den Ball ab, ließ gleich noch drei, vier Kameruner stehen und passte in die Mitte, wo Marco Bode goldrichtig stand und nur noch einzuschieben brauchte. Somit war die 51. Minute der Moment, in dem das Spiel kippte und Deutschland begann, ins Achtelfinale einzuziehen. „Das 1:0 hat es uns ein bisschen einfacher gemacht“, fand nach dem Spiel Rudi Völler. Kamerun war vom Treffer sichtlich geschockt.

Winfried Schäfer, der deutsche Trainer der Afrikaner, sah den Knackpunkt der Partie schon früher, nämlich mit dem Platzverweis für Ramelow nach dessen Foul an Eto’o. „Mir wäre es lieber gewesen, Eto’o hätte in dieser Szene ein Tor gemacht und Ramelow wäre auf dem Platz geblieben“, verriet Schäfer später und sah dabei gar nicht aus wie der König der Löwen, sondern eher wie ein gerupftes Huhn. Welche Szene auch immer entscheidend gewesen sein mag: Den unzähmbaren Löwen war als Folge das Löwenherz in die Hose gerutscht, trotz ihrer Überzahl brachten sie die deutsche Hintermannschaft nur noch einmal in Bedrängnis, in der 73. Minute nämlich, als der eingewechselte Suffo nur den Pfosten traf.

Doch was kurz aussah wie ein Signal zur Wende, war nur ein letztes Aufbäumen: Vier Minuten später sah auch Suffo die gelb-rote Karte vom spanischen Unparteiischen, der mit Karten nur so um sich warf, womit die Überzahl für Kamerun zum Teufel war. Nochmals drei Minuten danach hatte Klose mit seinem fünften Treffer bei diesem Turnier endgültig das Achtelfinale gebucht, wo am Samstag wahrscheinlich Südafrika oder Paraguay als Gegner warten. Dann werden der deutschen Elf die gelbgesperrten Hamann, Ziege und Ramelow fehlen, was weiter kein Problem sei, wie Oliver Kahn findet. „Wir haben viele gute Spieler dabei“, sagte der Torwart nach getaner Arbeit, auch das System könne dabei gleich mit überdacht werden. Zumindest Kahn hat das Spiel mit Viererkette gefallen. „Das hat hervorragend geklappt“, lobte er, was man zuvor vom Dreierverbund mit Ramelow nicht behaupten konnte. Systemunabhängig verlangte Kahn bereits am Dienstagabend die volle Konzentration auf die nächste Aufgabe. Denn: „Wir haben noch nichts erreicht, noch gar nichts.“ Schließlich, so wünscht es sich der Mann aus dem Kasten, kommt das Fest nun erst in Schwung. Kahn: „So eine WM beginnt ja erst so richtig mit dem Achtelfinale.“ FRANK KETTERER

Kamerun: Boukar - Wome, Song, Kalla, Tchato (53. Suffo) - Geremi, Lauren, Foe, Olembe (64. Kome) - Eto’o, Mboma (80. Job) Deutschland: Kahn - Linke, Ramelow, Metzelder - Frings, Schneider (80. Jeremis), Hamann, Ballack, Ziege - Jancker (46. Bode), Klose (82. Neuville) Schiedsrichter: Lopez Nieto (Spanien) Zuschauer: 47.085 Tore: 0:1 Bode (50.), 0:2 Klose (79.)

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