Mit Mobbing im Mittelfeld Europas

Zum ersten Mal untersucht eine deutsche Studie Mobbing am Arbeitsplatz: Betroffen war schon jeder Neunte

BERLIN taz ■ Verbreitung von Gerüchten, Vorenthaltung wichtiger Informationen, Sticheleien, Isolierung: Unter diesen typischen Mobbinghandlungen leiden in Deutschland 2,7 Prozent der Arbeitnehmer. Beziehungsweise der Arbeitnehmerinnen: Frauen sind im Vergleich zu Männern einem um 75 Prozent höheren Mobbingrisiko ausgesetzt. Insgesamt wurde jede neunte Person in ihrem bisherigen Arbeitsleben schon einmal gemobbt. Dies ergibt die erste repräsentative Studie zum Thema, die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erstellt wurde.

Mit diesen Zahlen liegt Deutschland im europäischen Mobbingmittelfeld. Für Ulrike Mascher, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, die die Studie gestern vorstellte, ist die Tendenz aber negativ: „Mobbing nimmt immer mehr zu.“ Mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen, von Demotivation bis hin zum Krankheitsausfall. Je länger das Mobbing bereits dauert, desto geringer ist dabei die Chance auf eine „einvernehmliche Lösung“. Über fünfzig Prozent der Fälle enden mit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Studie räumt mit dem Vorurteil auf, dass hauptsächlich die Psyche des Opfers darüber entscheidet, was als Mobbing wahrgenommen wird. Verantwortlich seien vielmehr Mängel in der Arbeitsorganisation und die Qualität der sozialen Beziehungen im Betrieb. Umso mehr erstaunt, dass Mobbing in sozialen Berufen – unter Sozialarbeitern, Erziehern und Altenpflegern – besonders weit verbreitet ist. Auch die Autorin der Studie, Bärbel Meschkutat, vermochte diesen Sachverhalt gestern nicht zu erklären. Hier seien weitere Forschungen notwendig.

Klar ist hingegen, wer mobbt: In 38 Prozent der Fälle ist es der Vorgesetzte alleine, in weiteren 12 Prozent gemeinsam mit den Kollegen. Mobbing von unten nach oben existiert kaum. Männer werden hauptsächlich von Männern gemobbt, Frauen von Männern und Frauen.

Mobbing ist strafbar. Anwendbar sind Normen des Strafgesetzbuches wie Beleidigung oder Nötigung. Die Schaffung spezieller Mobbinggesetze, wie es sie in Frankreich und Schweden bereits gibt, hält Staatssekretärin Mascher deshalb nicht für notwendig. Erfolgversprechender seien präventive Maßnahmen in den Betrieben. Denn die Arbeitgeber sind bereits heute verpflichtet, Mobbing in ihren Betrieben aktiv zu unterbinden.

PHILIPP MÄDER

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