DIE BUSH-REGIERUNG OPFERT IM ANTITERRORKAMPF DIE VERFASSUNG: Ein Triumph für die feindlichen Kämpfer
In Europa hat sich längst die Vorstellung breit gemacht, dass es die USA im Krieg gegen den Terror mit dem Recht nicht so genau nehmen. Im Fall der Gefangenen in Guantánamo war dies wohl eine überzogene und voreilige Kritik. Zwar gab es anfangs, als die Amerikaner damit begannen, Al-Qaida- und Taliban-Kämpfer auf ihrem Militärstützpunkt zu internieren, einen moralischen Aufschrei jenseits des Atlantiks. Doch nachdem internationale Beobachter das Gefangenenlager besucht hatten und keine krassen Menschenrechtsverletzungen feststellen konnten, wurde die Kritik leiser.
Diesmal sind es die Amerikaner selbst, die aufschreien. Denn im Fall des vermeintlichen „Dirty Bomber“ begeht die US-Regierung nun offensichtlich Verfassungsbruch. Zwei als mutmaßliche Terroristen verhaftete US-Staatsbürger wurden durch Präsidentendekret als „feindliche und gesetzlose Kämpfer“ eingestuft – die per Verfassung garantierten Rechte sind damit außer Kraft gesetzt. Das Weiße Haus nutzt die momentane Stimmung der Angst in der Bevölkerung vor weiteren Terroranschlägen schamlos aus, in der Amerikaner mehrheitlich bereit sind, ihre individuellen Freiheitsrechte zugunsten von mehr Sicherheit aufzugeben. Damit läuft die Bush-Regierung Gefahr, den moralischen Anspruch im Antiterrorkrieg an der Heimatfront zu verspielen. Es war Bush, der betont hat, dass es im Kampf gegen den Terror um die Verteidigung westlicher Werte gegen „barbarisches“ Handeln geht. Sollte die mächtigste Demokratie der Welt ihre Verfassungswerte dem Krieg opfern, hätten die Terroristen einen weiteren Sieg errungen.
Doch es gibt Anlass zur Hoffnung: Wache Bürger wollen sich ihre Rechte im Gerichtssaal zurückholen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Oberste Gerichtshof der USA dieser Justizwillkür der Bush-Regierung ein Ende bereitet. Das Weiße Haus ist gut beraten, alle Gefangenen gleich und verfassungsgetreu zu behandeln. Eine Niederlage vor Gericht wäre blamabel – und kurz vor der Kongresswahl im Herbst eine politische Katastrophe.MICHAEL STRECK
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