piwik no script img

h.g. hollein Homunkulus

Die Frau, mit der ich lebe, hat es gut. Sie hat mich. Jedenfalls vernehme ich im Bekannten- und Freundeskreis immer mal wieder Bekundungen, die auf einen Kausalnexus zwischen diesen beiden Aussagesätzen schließen lassen. Das Ohr der Gefährtin hingegen ist für diesen subtilen Frequenzbereich seltsam unempfänglich, wenn nicht gar radikal verschlossen. Mir will sogar scheinen, dass sie mich in einer größenwahnsinnigen Verdrängung der historischen Abläufe für ihr Geschöpf hält.

Gut, sie hat mich nach ein paar Wochen scheinbar vorbehaltlosen Anhimmelns heimtückisch zu ihrem Frisör gelockt – „ein bisschen aufstylen, ja“ – und kurz darauf in einem unbewachten Moment meinen Lieblinsgsringelpulli entsorgt. Und sie hat mich dazu abgerichtet, eine Tüte Gummibären nicht mehr sofort bis zum Anschlag aufzuessen. Kurzum, mein sozial kompatibles Persönlichkeitsprofil und urbanes Erscheinungsbild sind allein Werk der Gefährtin. Danach war die Woche der Schöpferin dann allerdings bald rum. Und das nachhaltig. Heute zählt vor allem meine Tragkraft. Wie sonst wäre es zu erklären dass mich statt Dank nach einer längeren Einholtour in Sachen Kosmetika lediglich die gelangweilte Frage erwartet: „War deine Hose eigentlich schon auf, als du aus dem Haus gegangen bist?“ Andererseits scheint es, als melde sich der Formungswille der Gefährtin seit Geraumem zurück, etwa in jenem skeptischen „Hm...“, mit dem sie mein Ganzkörperprofil beim morgendlichen Einstieg in die Boxershorts zu kommentieren pflegt. Ich fürchte, mein Life Coach tüftelt an einem umfassenden Body Relaunch.

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen