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Freigetanzt

Die Jugendtanztheaterkompagnie hat mit „Schaum & Anmut“ ihre zweites Stück entwickelt

„Schaum & Anmut, eine durchwachte Nacht“: Im Mittelpunkt dieser zweiten „Terranza“-Produktion steht das „träumende Individuum mit seiner Sinnsuche zwischen Intimität und gesellschaftlichem Wert“. Sagt Petra Thielebein, die die Gruppe vor zwei Jahren als JugendTanzTheater Kompanie des im Lagerhaus arbeitenden „tanzwerk“ gegründet hat. Nach dem Internet-Stück „@kontakt“ geht es diesmal um die Wahrnehmung des eigenen (weiblichen) Körpers zwischen „Werbespot, Juwel oder Fratze“.

Ausgangspunkt dieser Selbsterkundung sind sechs Betten, grasgrün bezogen – und ein Satz: „Es wird doch wohl was taugen, dass ich so ratlos bin.“ Zunächst mal taugen die Betten, nämlich als intime Rückzugsorte vor gesellschaftlichen Ansprüchen. Doch bald schon löst sich deren Sicherheit auf, die Decken verwandeln sich von Schutzschilden in die Schlagwerkzeuge einer gehässigen in group/out group-Schlacht – bis aus der Aggression plötzlich ein anmutiges Hasch-Mich wird, das in einem großen Wohlfühl-Cluster mündet.

Die Vitalität dieser Truppe von 15- bis 26-Jährigen steckt an. Vor allem, wenn die Bewegungslust das pantomimische Zeigenwollen überspringt und sich in energiegeladenen Ensembletänzen entlädt. Dann wird die Haarspraydose zum Auslöser einer rasanten Wurfchoreographie, Rasmus rockt aus dem Hintergrund und es ist klar, wer hier wen in der Hand hat.

Manchmal gewinnen aber auch die Objekte – beziehungsweise die von ihnen symbolisierten Zwänge. Ein Handspiegel verleitet zu einem Solo zwischen Wahn und Selbstgefälligkeit, die Vogelfeder hinterlässt ihre Tanzpartnerin friedlicher, während ein Rasierer unzweideutig zum Marterwerkzeug mutiert, das bald aus der normierten Achselhöhle ausbricht und erbarmungslos den ganzen Körper abschruppt.

Träume sind eben zweischneidige Angelegenheiten. Die vielen Betten auf der Bühne animieren irgendwann zum Bau eines Laufstegs, also einer Model-Dreamworld, um die sich das Ensemble lagert und in naheliegenden Posen verharrt. Und wiederum entsteht die Spannung dann, wenn Einzelne zum Experiment mit zweckfreier Bewegung übergehen. So entsteht ein eindrucksvoller Ellenbogen-Tanz, der das ästhetische Potential dieser Truppe beispielhaft verdeutlicht. Henning Bleyl

Heute Abend um 20 Uhr im Rahmen des internationalen Jugendtheaterfestivals „explosive“ im Schlachthof, am Mittwoch (19.6., 20 Uhr) im Schnürschuh-Theater und Samstag (22.6.) ab circa 20 Uhr zur „Blauen Stunde“ auf der Schwimmbühne in den Wallanlagen.

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