: h.g. holleinNähmädchen
Die Frau, mit der ich lebe, verplappert sich manchmal. So hat sie unlängst – nach 21 gemeinsamen Jahren – eingeräumt, dass sie mit Nadel und Faden umgehen kann. Das eröffnet natürlich vollkommen neue Perspektiven. Wozu sich länger über allfällige Geburtstagsgeschenke den Kopf zerbrechen, wenn die Gefährtin mit ein paar flinken Stichen einen Flicken schlichten Leintuchs in ein ebenso geschmackvoll wie persönlich gestaltetes Taschentuch verwandeln kann? Und endlich könnten wir uns für all die gehäkelten Untersetzer und Deckchen rächen, mit denen uns eine skrupellose Verwandschaft bisher die Schubladen zu verstopfen pflegte. Schön stelle ich mir auch die langen Winterabende vor, wenn ich, von einem guten Buch auf- und über ein erlesenes Gläschen Rotwein hinwegblickend, die Finger der Gefährtin emsig werkeln sehe. Zumal das ihrer Gesundheit zuträglich wäre, könnte sie derweil doch nur schwerlich rauchen. Am Ende verdient sich die Gefährtin per Heimarbeit sogar ein kleines Taschengeld dazu. Gar traulich-beschauliche Bilder sind es, die da vor meinen Augen aufsteigen. Skeptisch stimmt mich nur ihre Unzugänglichkeit für etwaige Reklamationen. Ich finde, es geht nicht an, einen zwei Zentimeter zu tief wieder angenähten Hemdknopf mit den Worten abzutun: „Dann mach‘s doch selbst, wenn‘s dir nicht passt!“
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