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Gegen die gefühlte Inflation

Am heutigen Konsum-Streiktag wg. Teuro sind auch Aktionen in Bremen geplant. Aber die Statistiker bleiben dabei: Es ist alles nur halb so wild

Heute ist Konsum-Streiktag wg. „Teuro“: Aus Protest gegen die doppelt so teure Eiskugel, die gestiegenen Treibstoffkosten und „das Gefühl, dass das DM-Zeichen einfach durch das Euro-Zeichen ersetzt wurde“ wollen heute bundesweit VerbraucherInnen nichts kaufen, nicht tanken und sich Kneipenbesuche verkneifen – zur totalen Kapitalmusversagung wurde per Internet aufgerufen.

Landes- und Bundesstatistiker können diese „gefühlte Inflation“ mit ihren Zahlen nicht bestätigen –im Gegenteil. Eckhart Elsner vom Statistischen Landesamt in Berlin erklärte am Rande der Bremer Konferenz „Messen der Teuerung“: „Die Teuerung ist schon länger Thema, aber mit der Euro-Einführung haben die Menschen besonders genau hingesehen.“ Er kennt die Beschwerden, die statistischen Landesämter würden zu niedrige Preise annehmen. Aber so einfach sei das nicht: „Die Verbraucher sehen, wenn die Wurst teurer wird. Aber dass Computer schon seit Jahren immer leistungsstärker und dabei immer günstiger werden, beachten sie nicht. Und die Mieten, die ja auch im Warenkorb sind, wurden natürlich eins zu eins umgerechnet.“

Beruht der Teuro-Frust also nur auf einem Kommunikationsproblem? Wolfgang Buchwald, beim Statistischen Bundesamt zuständig für den Preisindex, will die „Teuro“-Wahrnehmung ebenfalls nur mit einzelnen „Ausreißern“ bestätigen: H-Milch etwa sei um bis zu 15 Prozent teurer geworden. Bei den Vollmilchschokoladen hätten die Händler von dem „Kampfpreis“ von 99 Pfennig nicht auf 51 Cent umgerechnet, sondern es zunächst mit dem nächst höheren „Schwellenpreis“ 59 Cent versucht. „Der Preis bildet sich jetzt aber zurück“, sagte Buchwald. „Wenn er auf 49 Cent sinkt, wäre die Tafel Schokolade sogar billiger geworden.“

Ob die Statistiker nun eine aktuelle Teuerung von 0,9 Prozent errechnen oder nicht – die Geldwertstabilität, von der die Zahlenjongleure ausgehen, hat derzeit ein massives Problem. Ein Beispiel: Zwischen 15 und 18 Uhr steht heute Hans Köppen vom „Bündnis Parteilose Bürger“ in Gröpelingen an der Ecke Gröpelinger Heerstraße und Beim Ohlenhof und sammelt Unterschriften „dagegen, dass der Euro zum Teuro wird“. Die Unterschriften will er dem Beirat übergeben. Und er ärgert sich: „Man merkt das bei den alltäglichen Dingen, zum Beispiel beim Fleisch. Da meint man, der Preis ist eins zu eins übernommen worden. Also die Wahrnehmung, dass alles teurer wird, ist schon richtig.“ Ulrike Bendrat

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