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unterm strich

In einer seiner letzten Sitzungen vor der Wahl könnte der Bundestag an diesem Donnerstag noch eine historische Entscheidung für Berlin treffen. Frei vom Fraktionszwang sollen die Parlamentarier sagen, ob Berlin nun sein 1950 von den DDR-Oberen gesprengtes Hohenzollernschloss wiederbekommt oder nicht.

Die Abstimmung fällt mit einer Entscheidung des Berliner Senats zusammen, die Standbilder der preußischen Generäle Gerhard von Scharnhorst und Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz wieder am historischen Prachtboulevard Unter den Linden aufzustellen.

Mit der Abstimmung über die Schlossfassade würde zugleich die erste echte Entscheidung in einem zwölf Jahre währenden, teils scharf geführten Streit in der Hauptstadt gefällt. Historisch ist der Tagesordnungspunkt ohnehin: Über ein Kunstwerk oder eine architektonische Frage hat das Parlament – abgesehen von der Reichstagsverhüllung oder dem Erdtrog des Künstlers Hans Haacke („Der Bevölkerung“) – bisher kaum je debattiert.

Zur Debatte stehen nach einem Vorschlag des Kulturausschusses im Parlament zwei Abstimmungsmöglichkeiten: Die Politiker können entweder für eine Festlegung auf die Wiedererrichtung der barocken Fassade in weiten Teilen votieren oder aber für einen Architektenwettbewerb, in dem dieser Punkt offen gelassen wird. Die Entscheidung für die barocke Gestalt an Nord-, West- und Südseite würde der Empfehlung der viel beachteten Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ folgen, die vor eineinhalb Jahren von Bund und Land eingesetzt worden war, um eine Lösung für den Schlossplatz zu finden.

Die nun vom Bundestag geforderte Entscheidung über die äußere Gestalt ist das eigentliche heiße Eisen, an dem sich die Gemüter stets erhitzt hatten. Die Frage Schloss oder Palast der Republik wurde lange als Bruderzwist zwischen Ost und West geführt. Die Idee eines Feudalbaus auf dem von manchem als „Staatsmitte“ interpretierten Platz wurde von Auguren als schlechtes Zeichen für die sich bildende „Berliner Republik“ gesehen.

Die Denkmäler von Scharnhorst und Graf Bülow von Dennewitz stammen übrigens vom Bildhauer Christian Daniel Rauch. 1950 wurden sie in der DDR am historischen Standort abgebaut. Nach der Wiedervereinigung restauriert, sollten sie neben der Neuen Wache aufgestellt werden. Dagegen erhoben die Erben der Bildhauerin Käthe Kollwitz, deren Pieta in der Neuen Wache als Zentraler Gedenkstätte der BRD Platz gefunden hatte, jedoch Einspruch.

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