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„Staubsauger“ Groß-Bremen

Betr. „Krach um die Revierhoheit“, taz bremen 2.7.2002

Die vor einigen Tagen von Prof. Dr. Wolfram Elsner vorgestellten neuen Alternativen zum Länderfinanzausgleich und das Modell „Bremen-Neu“ sind weder neu noch ökonomisch interessante Alternativen. Fakt ist, dass bereits vor zwei Jahren ein Papier mit dem Titel „Regionalkörperschaft Bremen- Unterweser – Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Oberzentrum Stadtstaat und dem Umland („Region“)“, das sogenannte Hoffmann-Papier, von der Senatskanzlei in Umlauf gebracht wurde. Damals war der Aufschrei groß, insbesondere die Vertreter der Umlandgemeinden sahen bereits bremische Truppen in ihre Ratshäuser einziehen. Das Papier verschwand schnell in der Versenkung, gleichwohl kursieren die enthaltenen Überlegungen nach wie vor in den Köpfen von Politikern und Wissenschaftlern. Offenbar haben sich einige Studenten an dieses Papier erinnert und versucht, die damals ausschließlich verbale Argumentation mit handfesten Zahlen zu untermauern. Dies ist zunächst im Rahmen der wissenschaftlichen Freiheit von Forschung auch nicht zu beanstanden. Dann allerdings muss einerseits das System der Bund-Länder-Finanzbeziehungen klar beschrieben werden und darauf aufbauend gewisse modelltheoretische Annahmen und Unterstellungen mit dem bisherigen System vereinbar sein. Denn letztlich können durch unrealistische Annahmen jegliche Ergebnisse abgeleitet werden. Wenn also bei einer Eingemeindung staatliche Leistungen mit positiven externen Effekten (Krankenhäuser etc.) “aus der Fläche“ finanziert werden können, so entfällt die „Andersartigkeit des Stadtstaates als Hauptstadt ohne Umland“ und damit auch die bislang verfassungsrechtlich abgesicherte Stadtstaatenwertung. Realistische Konsequenzen einer Eingemeindung des Umlandes: Bisherige finanzielle Vorteile des Stadtstaates Bremen wie Einwohnerwertung, Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen und Kosten politischer Führung gehen nicht nur Bremen, sondern letztlich durch die Verringerung der Bereitstellung öffentlicher Leistungen auch dem Umland verloren. Zudem dürfte die Großgemeinde Bremen in einem vergrößerten Bundesland Bremen, denn von einem Stadtstaat kann eigentlich dann keine Rede mehr sein, eine Art „Staubsaugerwirkung“ entfalten. Der Steuerzugriff auf die kommunalen Steuern und die kommunalen Anteile an den Gemeinschaftssteuern (Einkommens-, Körperschafts- und Umsatzsteuer) im Rahmen eines kommunalen Finanzausgleichs, den es dann auch geben müsste, könnte die fiskalische Situation der Gemeinde Bremen zu Lasten der kleinen Gemeinden verbessern. Ökonomisch sinnvoller wäre es, über eine aufgabengerechte Einnahmenverteilung zu diskutieren (Stichwort: Steuerzerlegung). Fusionen sind wenig hilfreich, das föderale Verteilungssystem muss reformiert werden.

André W. Heinemann, Uni Bremen

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