: Auch Shakespeare reimte
Die scheinbar kaum verwandten Sphären HipHop und Sprechtheater erfolgreich zusammengebracht: „Beatbox: A Raparetta“ von Dan Wolf und Tommy Shepherd im Amerikahaus
von ALEXANDER DIEHL
„Eigentlich geht es darum, zusammenzubringen, was mein Leben ausmacht“, sagt Dan Wolf. „Theater und Musik, genauer: HipHop.“ Wolf ist studierter Theater-Autor und Schauspieler, lebt in San Francisco, und seine sonstige Hauptbeschäftigung ist besagte populärmusikalische Strömung mit dem mancherorts zweifelhaften Image. Wie eine Fusion dieser beiden Sphären aussehen kann, zeigt die „Raperatta“ Beatbox von Wolf und Tommy Shepherd,die jetzt zum Abschluss des Festivals „Die Wüste lebt“ aufgeführt wird.
Dass das Stück es ausgerechnet ins Programm eines Hamburger Festivals für junges Theater geschafft hat, ist nicht zufällig. Schon mehrfach hat Wolf die Stadt besucht: auf den Spuren seiner Familie. Der 28-Jährige Kalifornier ist Urenkel Leopold Wolfs, der eigentlich mit Nachnamen Isaac hieß und Teil der Gebrüder Wolf war, jener zu Beginn des 20. Jahrhunderts enorm erfolgreichen jüdischen Unterhaltungsmusiker und Komödianten aus Hamburg, an die sich die Stadt erst allmählich wieder erinnern zu wollen scheint. Parallel zu den Beatbox-Vorbereitungen war Wolf seit dem 20. Juni in die Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm involviert, den der Hamburger Filmemacher Jens Huckeriede zur nächsten Berlinale fertig gestellt zu haben plant.
Vor gut zehn Jahren gründete Wolf mit seinem damaligen College-Kommilitonen Shepherd die Band Felonious. In der Bay Area zu Hause, machte man sich einen guten Namen mit dem eigenen Anspruch, solide Handarbeit abzuliefern: Während das Gros der Genre-Kollegen die eigene Livedarbietung im Format MC-rappt-zu-einem-Hintergrund-DAT völlig ausreichend fanden, begannen Felonious zunächst als Vokalisten ganz ohne Musik und waren zwischenzeitlich eine komplett instrumentierte Band – ein Format aus den Anfängen, das erst durch Erfolge von Gruppen wie den Roots wieder eine gewisse Konjunktur erlebt. Jetzt bilden die Felonious-Mitglieder Stab und Besetzung von Beatbox.
An dessen Anfang stand der fiktive Dialog zwischen einem Dichter und einem Rapper, die sich schließlich darauf einigen, mit ihren Professionen gar nicht soweit voneinander entfernt zu sein. „Wir haben es hundertmal überarbeitet“, so Wolf, und am vorläufigen Ende stand ein Zweiakter, der nicht nur ein HipHop-affines Thema hat: Beatbox ist vollständig in Reimform gehalten, und wird gerappt vorgetragen. „Die Leute sagten, das sei ja ‚niedlich‘“, erinnerte sich Wolf einmal in einem Interview. Aber kann ein solch ambitioniertes Projekt überhaupt eine der avisierten Zielgruppen – Theater- und HipHop-Publikum – zufriedenstellen, geschweige denn beide?
„Theater ist ja eigentlich völlig unzugänglich für 50–70 % der Bevölkerung“, sagt Wolf: „Es ist für Leute, die Geld haben, und es erzählt traditionell weiße Geschichten. Hier haben wir es mit einem Stück zu tun, bei dem viele Leute erstmals die Chance bekommen dürften, das auf der Bühne Gezeigte mit ihrem eigenen Leben in Verbindung zu bringen – weil es ihre Sprache spricht.“
Dabei erzählt Beatbox eine Geschichte, die dermaßen klassisch ist, dass sich kein Sprechtheater-Abonnent ernsthaft überfordert sehen müsste. Denn auch, wenn die Hosen weiter sind und der spezifische HipHop-Lingo für eine gewisse Fremdartigkeit sorgen mag: Zwei ungleiche Stiefbrüder (gespielt von Shepherd und Carlos Aguirre), die es zu etwas bringen möchten, deren einer allerdings am Ende einen Menschen erschossen haben wird, ist so spezifisch gar nicht mal. Und die Sache mit den „niedlichen“ Reimen? „Wir hatten nie die Nerven, ihnen zu erwidern, dass auch Shakespeare in Reimen schrieb“, so Wolf. Die Klassiker habe man ausführlich studiert, bemerkt auch Shepherd, aber „wir sahen den Rap darin.“
Sonnabend, 21.30 Uhr, Amerikahaus
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