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Union will C behalten

CDU und CSU hören nicht auf Kardinal Meisner: Nicht nur Merkel, auch die christlichen Unionsmänner verteidigen ihre ledige Familienexpertin Reiche

von ULRIKE HERRMANN

Darf eine ledige Mutter für das Thema Familie zuständig sein? Die Personalie Katherina Reiche beschäftigte die Union auch am Wochenende. Die Führungsspitze gab sich kämpferisch. Fraktionschef Friedrich Merz erklärte: „Die Entscheidung, wer Mitglied in unserer Führungsmannschaft wird, treffen wir in alleiniger Verantwortung.“

Diese Botschaft richtete sich zwar an die Delegierten auf dem Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU, gemeint war aber ein Abwesender: der Kölner Kardinal Joachim Meisner. Er hatte Edmund Stoiber scharf kritisiert, weil der Kanzlerkandidat es gewagt hatte, die 28-jährige Reiche als seine Kompetenzkandidatin für die Themen Jugend, Frauen und Familie zu nominieren – obwohl sie unverheiratet ist und demnächst ihr zweites Kind erwartet. Meisner kommentierte drastisch: Jetzt könne die Union das „C“ aus ihrem Namen streichen. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel entgegnete: „Kardinal Meisner verwechselt offenbar die Union mit dem Vatikan.“

Angela Merkel blieb gelassener. Es sei gut, dass die CDU über ihr Rollenverständnis diskutiere, meinte die Parteivorsitzende gestern. Den Zusatz „endlich“ verkniff sie sich. Merkel kann sich bestätigt fühlen. Schon vor zwei Jahren versuchte sie ihre Partei zu modernisieren und an die Tatsache zu gewöhnen, dass es Alleinerziehende gibt und dass nicht jedes Paar vor den Altar treten will, wenn sich ein Kind ankündigt.

Damals jedoch reagierte die Union verschreckt und war erleichtert, dass sich Stoiber als Kanzlerkandidat durchsetzte. Schien er doch für die traditionelle Familie zu stehen. Und so sah die Inszenierung zunächst auch aus: Stoiber betonte oft und zu oft, dass er bereits seit 34 Jahren glücklich verheiratet sei. Das erste Wahlplakat der Union war so arrangiert, dass sich Stoibers Ehering nicht übersehen ließ.

Dennoch ist die Nominierung der ledigen Mutter Reiche kein logischer Bruch im Unionsdrehbuch „Die deutsche Familie“. Der Wandel der Inszenierung setzte früher ein: Er begann mit den ersten Auftritten der Constanze Hausmann. Sie ist die älteste Tochter von Stoiber, 30 Jahre alt, Juristin, verheiratet, zwei kleine Kinder. Die junge Mutter durfte kürzlich in der Zeit, bei Biolek und in der Süddeutschen Zeitung bekennen, dass sie wieder arbeiten möchte. Aber sie fände keinen Krippenplatz für ihre kleinen Kinder. Sogar sachte Kritik am Vater war parteistrategisch erlaubt: Seine CSU habe immer nur darauf gesetzt, dass die Mütter zu Hause bleiben.

Offensichtlich haben jetzt auch die Wahlkampfstrategen der Union erkannt, was Merkel längst weiß und gestern wiederholte: Die Union hat die Bundestagswahl 1998 auch wegen ihrer antiquierten Familienpolitik verloren. Also wird an der Symbolik des neuen Konservatismus gefeilt: So wie Katherina Reiche Stoiber zum modernen Kanzlerkandidaten machen soll – so soll ihn Constanze Hausmann zum modernen Opa verwandeln, dem nichts Weibliches fremd ist.

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