Volkszählung in Mikro-Etappen

Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist wieder eine neue Runde der Mikrozensus-Erhebung angelaufen. 17.000 Hamburger müssen jährlich ihre persönlichen Daten preisgeben dennoch gibt es nur vereinzelten Widerstand gegen die Datensammlung

von KAI VON APPEN

Sie sind wieder unterwegs um zu fragen – oder zu schnüffeln, wie es einige HamburgerInnen empfinden: Die so genannten „Interviewer“ der Minivolkszählung „Mikrozenus“. 17.000 HamburgerInnen hat das Statistische Landesamt wieder auerkoren, um ihre Datensammlungen zu vervollständigen. Über Sinn und Unsinn der „Volkszählung light“ ist viel diskutiert und schon vor Gericht gestritten worden. Obwohl die Zwangsbefragung einen Eingriff in das verfassungsmäßige „Informationelle Selbststimmungsrecht“ bedeutet, sind Auskunftsverweigerer vor dem Oberverwaltungsgericht zur Preisgabe perönlicher Daten gezwungen oder zur Zahlung von Bußgeldern verdonnert worden.

Tatort Altona: Interviewer Gustav-Adolf W. ist im Einsatz. Zuerst werden die Namen auf den Klingelknöpfen mit der amtlichen Bestandsliste verglichen. Passt alles hinten und vorne nicht. Gustav Adolf W. greift zur List, klingelt ganz oben im Haus und verschafft sich so Zutritt zum Gebäude. Der Namensvergleich mit den Türschildern ist ebenfalls negativ, doch dann ein Erfolgserlebnis: Bei Bode (Name geändert) scheint auch Bode zu wohnen. Als die Tür geöffnet wird, gibt sich die Frau leibhaftig als Katy Bode zu erkennen. Doch als ihr W. den Bogen in die Hand drücken möchte, gibt sie ihm einen Korb. W. zottelt betroffen ab und gibt den Rat: „Überlegen Sie es sich noch mal.“

Der Mikrozensus ist nach der verpatzten Volkszählung von 1987/88 intensiviert worden. Bei der staatlichen Totalerhebung hatte es erheblichen Widerstand gegeben. Polizei musste in Hamburg ganze Stadtviertel in Belagerungszustand versetzten, wenn die Interviewer ausschwärmten, damit ihnen beim Datensammeln nicht die Erfassungsbögen abhanden kamen. Dabei ist es immer wieder zu erheblichen Datenpannen gekommen, die von den Datenschützern gerügt worden sind. Zum Abschluß der Zählung lag die Rate der Datenverweigerer in der Elbmetropole trotz massiver Drohungen mit Zwangsgeldern offiziell bei fünf Prozent – inoffiziell wesentlich höher. Zumindest so hoch, dass die Stadt auf die Eintreibung der Bußgelder gegen Boykotteure verzichtete.

Als Reaktion auf das Debakel entschlossen sich die Datensammler künftig auf den Mikrozensus zurückzugreifen. Ein Prozent der HanseatInnen – das sind 17.000 EinwohnerInnen – werden jedes Jahr im Mai ausgeguckt und müssen dann vier Jahre lang ihre Daten an das Statistische Landesamt liefern. Da alle vier Jahre somit 17.000 Befragte wegfallen und wieder neu dazukommen, so eine Sprecherin des Statistischen Landesamtes, „ist ein Rotationsprinzip eingetreten.“ Die neuen Objekte – meist ganze Wohnhäuser oder Straßenzüge – werden nach dem Schema ausgesucht, dem gewisse Kriterien zu Grunde liegen: „Sonst wäre die Statistik ja nicht repräsentativ,“ so die Statistikerin. „Flächendeckend nach einem mathematischen, statistischen und zufälligen Schlüssel.“

Dass auch die Mikrozensus-Befragung aufwendig sein kann, muss Gustav-Adolf W. erkennen. Nachdem er zuletzt kommentarlos Katy Bode den Erfassungsbogen in die Hand gedrückt hat, klingelt er nochmals hilfesuchend: „Der ist hier ganz schön im Haus rumgeirrt“, berichtet sie. „Viele, die laut seiner Liste hier gemeldet sind, wohnen hier nicht mehr, wiederum wohnen hier Leute, die nicht gemeldet sind.“ Das wäre im Prinzip ein netter Nebeneffekt, den der Mikrozensus mit sich bringt. Derartige Datenerkenntnisse dürfen aber laut Volkzählungsurteil des Verfassungsgerichtes von den Statistikern nicht an die Meldebehörden weitergeleitet werden. Katy Bode hat ihren Mikkrozensus-Bogen erstmal in die Ablage gelegt. Doch irgendwann wird wohl auch sie ihn ausfüllen müssen, wenn sie keine Bußgelder zahlen möchte. Da drohen Zwangsgelder bis zu 500 Euro. Ihr Anwalt Rolf Puls kann ihr juristisch keine Hoffnung machen. „Das wird heute anders gehandhabt, als bei der Volkszählung“.