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Rolle rückwärts

Aus dem Ruhestand in die Behörde: Ingeborg Knipper soll das Amt für Schule leiten. Ohne Ausschreibung, denn das hätte zu lange gedauert

„Die Weichen sind durch diese Behörde jahrzehntelang falsch gestellt worden.“

von SANDRA WILSDORF

Die von gestern werden die von morgen sein: Als seine Kandidatin für die Leitung des Amtes für Schule hat Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) gestern Ingeborg Knipper präsentiert. Die 69-jährige CDU-Politikerin hatte sich vor fünf Jahren in die Rente verabschiedet und gehofft, „nun aus dem Ruhestand den einen oder anderen Rat“ geben zu können.

Deshalb war sie „sehr überrascht“, als Lange ihr den Job antrug. Nach kurzer Bedenkzeit habe sie zugestimmt, „weil es mich reizt, nach den vielen Jahren in der Opposition endlich gestalten zu können“. Weil sie das so wollte, habe sie einem Zweijahresvertrag als Angestellte zugestimmt und wird auch nicht den Titel „Landesschulrätin“ tragen. Den hat nämlich weiterhin Peter Daschner, der von Lange erst öffentlich diskreditiert und dann ans Institut für Lehrerfortbildung versetzt wurde.

Lange ist derweil völlig begeistert über seine „erste Wahl“. Warum er die Position nicht ausgeschrieben habe? „Das hätte einen langen Zeitraum in Anspruch genommen. Und es ging darum, jemanden zu finden, der die Hamburger Verhältnisse und die Historie aus dem effeff kennt, und der schon früher kritische Anmerkungen gemacht hat, die aber aufgrund der politischen Verhältnisse nicht realisiert werden konnten.“ Und da ist „niemand in Hamburg und Umfeld besser geeignet als Frau Knipper, die anstehenden Reformen durchzusetzen“.

Die kämpft seit Anfang der 80er für das Abitur nach zwölf Jahren und noch viel länger für eine „wertorientierte Bildung“, sprich Pünktlichkeit, Ausdauer, Fleiß und Verlässlichkeit. Knipper ist Realschullehrerin, hat allerdings 1976 zuletzt Schüler unterrichtet. Von 1977 bis zu ihrem Ruhestand war sie am staatlichen Studienseminar beschäftigt und bildete also Referendare aus.

Vor allem aber ist Ingeborg Knipper seit über 40 Jahren CDU-Mitglied. Von 1982 bis 1997 saß sie in der Hamburger Bürgerschaft und war vier Jahre lang Vorsitzende des Schulauschusses. Seit 1998 ist sie Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildungspolitik der Hamburger CDU.

Den Mitarbeitern ihrer Behörde kündigte sie schon mal Konfrontation an: „Ich glaube nicht, dass die Hamburger Schüler dümmer oder die Hamburger Lehrer schlechter sind als andere. Aber die Weichen sind durch diese Behörde in den letzten Jahrzehnten falsch gestellt worden.“ Sie will sich um eine schnelle Novelle des Schulgesetzes kümmern, in dem „die Hauptschulen eigene Profile erhalten sollen, das die Realschule stark und die Gymnasien wieder zu einer Leistungsschule macht.“ Gesamtschulen? „Meine persönliche Einstellung dazu ist ja bekannt“, sagt sie und führt aus: „Wir wollen am Elternwahlrecht festhalten, aber in der Ausstattung soll es endlich Gerechtigkeit geben.“

Unklar ist, was aus der Struktur der Behörde wird. Bei der Haushaltsklausur in Jesteburg haben alle Senatoren den Auftrag erhalten zu überprüfen, ob sich die Zahl der Ämter ihrer Behörden nicht reduzieren ließe. Für die Schulbehörde soll das die Hamburger Unternehmensberatung mit dem programmatischen Namen „Putz und Partner“ prüfen. Aufgrund der Umstrukturierungen war zunächst Achim Meyer auf der Heyde als Daschners Nachfolger im Gespräch. Doch der Leiter des Amtes für berufliche Bildung und Weiterbildung ist wohl zu wenig konservativ, hatte er doch beispielsweise vergangenes Jahr die 100 neuen Berufe kritisiert, die die Handelskammer sich wünscht, um Jugendliche auch ohne langes Ausbilden zu Arbeitskräften machen zu können.

Deputation und Senat müssen der Personalie Knipper noch zustimmen. Das dürfte jedoch kein Problem sein, denn es ist nicht ohne den Einfluss von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) geschehen, dass Lange sich mit Knipper die ewige Schulsenatorin im CDU-Schattenkabinett an die Spitze seiner Behörde geholt hat – beziehungsweise sie ihm gebracht wurde.

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