: Für ein ehrliches Parkett
Börsianer Axel Schubert will einen Handelsplatz für die Kleinen – ohne Einfluss der Großen
Im kommenden Jahr wird die Bremer Wertpapierbörse (BWB) als 10-Prozent-Partner eine elektronische Handelsplattform für Aktien mit Adresse in Bremen betreiben will: „Nasdaq Deutschland“. Wir sprachen mit BWB-Vorstand Axel Schubert über die aktuelle Situation an den Börsen und das neue Projekt, das in Konkurrenz zum Frankfurter „Xetra“ treten will.
taz: Wir sind mit dem Dax jetzt zwischen 3.000 und 3.500 Zählern. Macht Ihnen das nicht ein bisschen Angst?
Axel Schubert: Da gibt es unterschiedliche Perspektiven. Als Börsenbetrieb verdienen wir unser Geld durch den Handel. Das Schlimmste für uns ist die Stagnation in der Beurteilung der Märkte.
Wenn der Dax stabil ist, dann kauft keiner und keiner verkauft.
Genau. Wenn Meinung im Markt ist, schlechte oder gute, dann steigen die Umsätze. Und wir verdienen unser Geld an den Transaktionen. Eine andere Sichtweise hat die Vermögensberatung der Banken.
Die Bremer Börse will sich jetzt an einer neuen Handelsplattform gewesen, die Nasdaq Deutschland. Sind Sie nicht ein bisschen zu spät damit?
Wir wollen gemeinsam mit der Nasdaq, Partnerbanken und der Berliner Börse ein neues elektronisches Handelssystem aufbauen. Es gibt eines, das ist das Frankfurter Xetra, wir bauen ein konkurrierendes auf. Xetra ist in Frankfurt die Spiegelung der tradierten Börse. Da werden alle Titel gehandelt. Wir wollen mit den 300 Aktienwerten starten, die im Vordergrund des Interesses von Privatkunden stehen.
Institutionelle Anleger können bei uns nicht handeln, sondern nur Privatkunden. Eine normale Börse vermittelt, wenn Wertpapieraufträge vorliegen. Xetra bildet die Aufträge in einem offenen Orderbuch ab. Da haben die Broker die Möglichkeit, die Marktlage zu sehen und für ihre Privatkunden zu reagieren. Der professionelle Handel offenbart sich in dem offenen Orderbuch aber nicht. Er hat aber die Möglichkeit, zu intervenieren und die Orders systematisch abzuräumen. Das ist für die Privaten bei Xetra ein Handikap, das Handeln der institutionellen Anleger kann durch ganz andere Interessen geprägt sein.
Was machen Sie anders bei Nasdaq Deutschland?
Wir werden das amerikanische Marktverständnis von Wettbewerb an der Börse übernehmen. Wir werden „market-maker“ haben, die auch miteinander konkurrieren und selbst ihre Angebote – „quotes“ – im elektronischen Handel einstellen und damit allen potenziellen privaten Kunden sagen: In diesem Bereich bin ich bereit, Daimler oder den Wert xy zu kaufen oder zu verkaufen. Das ist ein gravierender Unterschied.
Was ist der Vorteil?
Das Modell führt zu einer sehr ehrlichen Preisbildung. Aber dieses aufwändige Verfahren können Sie nur mit einer begrenzten Zahl von liquiden Werten machen.
Ehrlichkeit ist ja eher ein moralischer Begriff.
Ja, ich meine das so. Der institutionelle Anleger kann einen Markt nicht über unser Handelssystem steuern. Die kommen in unser System nicht hinein. Die großen Anleger und die privaten Kleinen – das verträgt sich nicht. Deshalb diese ethische Beurteilung.
Der Einbruch am Aktienmarkt hat direkte Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Menschen. Macht das nicht ein wenig schwindelig, wenn man sich irrationalen Hintergründe vor Augen führt?
Börsenkurse sind immer Spiegelbilder einer wirtschaftlichen Situation. Aber zur aktuellen Situation haben noch andere Faktoren geführt. Wir haben eine Hausse gehabt, es wurde alles gekauft. Die Verkäufer und die Beraterbanken hatten nur ein Problem: Wie kriege ich mehr Ware an die Börse? Es wurden Firmen an die Börse gebracht, deren Unternehmensphilosophie mit Excel-Tabellen reich gerechnet wurden. Das war eine Blase.
Ein Dax bei 8.000 war aber genauso verrückt wie einer bei 3.500. Das hat doch auch nichts mit der Realität zu tun.
Ob das eine richtige Bewertung ist, ist schwer zu sagen. Da gibt es sicherlich auch eine Gegenreaktion, eine Gegenentwicklung. In die fallende Tendenz hinein wurde verkauft auf Teufel komm raus. Den Herdentrieb kriegt man bei der Börse nicht raus.
Fragen: Klaus Wolschner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen