: Zu jung zum Rauchen
Verbraucherzentrale klagt gegen Zigarettenhersteller, weil dieser gegen Werberegeln verstoßen habe: Camel-Model sieht zu jung aus, meint der Leiter der Gesundheitsabteilung Steglitz-Zehlendorf
von SABINE AM ORDE
Johannes Spatz ist hartnäckig. Seit Jahren kämpft der grüne Gesundheitsfachmann, der inzwischen die Gesundheitsabteilung im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf leitet, gegen das Rauchen – und gegen die Werbung der Tabakindustrie. Bald könnte er in seinem Kampf einen großen Schritt weiter sein: Auf Anraten von Spatz hat jetzt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) den Zigarettenhersteller JT International, der früher Reynolds hieß, wegen jugendbezogener Werbung verklagt. „Das könnte ein Grundsatzurteil werden“, sagt Egbert Groote, der zuständige Jurist des vzbv.
Auslöser ist ein Werbeplakat der Marke Camel, das derzeit vielerorts in Berlin hängt. Es zeigt eine rauchende junge Frau, die entspannt auf einem Sofa liegt. Der Text dazu: „Slow down – pleasure up“. Aus Sicht des vzbv ist diese Werbung ein Verstoß gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) und unvereinbar mit der Selbstverpflichtung der Zigarettenindustrie zur Unterlassung jugendbezogener Werbung.
Laut LMBG ist Tabakwerbung verboten, die besonders dazu geeignet ist, Jugendliche zum Rauchen zu verleiten. Konkretisiert wird dieses Verbot durch eine freiwillige Richtlinie der Zigarettenindustrie. Darin verpflichtet sie sich, in der Zigarettenwerbung nicht mit Personen zu werben, die jünger als 30 Jahre sind – oder von Jugendlichen für jünger als 30 Jahre gehalten werden.
„Genau das ist aber bei diesem Plakat der Fall“, sagt Johannes Spatz. Seine Abteilung hat mehr als 50 Jugendliche um einer Altersschätzung der abgebildeten Frau gebeten. Das Ergebnis: „Die meisten haben sie für jünger als 25 gehalten.“ Das hat Spatz zunächst dem zuständigen Aufsichtsamt des Bezirks mitgeteilt. „Das aber hat keine Chance für eine Klage gesehen.“ Jetzt prüfe die Gesundheitsverwaltung des Senats den Vorgang.
Die Verbrauchenzentrale dagegen hat sich schnell zu einer Klage entschlossen. „Wir erwarten, dass die beanstandete Werbung im Interesse des Jugendschutzes gerichtlich untersagt wird“, sagt Edda Müller, Vorstandsmitglied der vzbv. Es dürfe nicht sein, dass Jugendliche zum Rauchen verleitet würden und der Werbung schutzlos ausgeliefert seien. Für Spatz ist das Camel-Motiv kein Einzelfall. Seit vier Jahren beobachtet er die Zigarettenreklame und hat zahlreiche Fotos gemacht. 24 davon würden eindeutig gegen die Selbstverpflichtung verstoßen. Spatz: „Häufig werden Models genommen, die zwar über 30 sind, aber viel jünger aussehen.“
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