piwik no script img

Strampeln im Minutentakt

Die Bahn verteilt ab heute 2.000 Fahrräder in der Innenstadt. Nutzen darf sie jeder, der sich registrieren lässt, für drei oder fünf Cent pro Minute. Auch Anzugträger sollen in die Pedale treten

von STEFAN ALBERTI

Sie könnte ab heute besetzt sein, die Laterne, an der der Kollege an der S-Bahn üblicherweise sein Rad abstellt. Besetzt von einem silberroten Rad mit Deutsche-Bahn-Logo. Denn 1.200 davon, ab Mitte August 2.000, will die Bahntochter DB Rent innerhalb des S-Bahnrings an Bahnhöfen, zentralen Plätzen und Kreuzungen verteilen und damit einen neuen Fahrradverleih etablieren: die Callbikes. Wer sich als Kunde registrieren lässt, kann sie benutzen, für drei bis fünf Cent pro Minute oder 15 Euro am Tag. Die Räder sind per Schloss gesichert, die Nummer gibt es beim Anruf in einem Call-Center.

Die Bahn will auf diesem Weg vorrangig zusätzliche Zugfahrer gewinnen. Grundgedanke: Wenn es (noch) leichter wird, zum Bahnhof und zurück zu kommen, lässt der eine oder andere doch den Wagen stehen und fährt per Zug. „Die Reisekette schließen“, nennt das die Deutsche Bahn.

DB-Sprecher Andreas Fuhrmann hat nicht allein Fahrradfreaks als Kunden vor Augen: „Unsere Räder sollen auch Anzugträger mit Koffer fahren, die sich sonst ein Taxi rufen.“ Deshalb haben die achtgängigen Räder nicht nur eine Federung, sondern auch einen Kettenschutz. Zielgruppe kann aber auch derjenige sein, der sein eigenes Rad nicht unbewacht am Bahnhof stehen lassen mag.

In München hat die Bahn die Idee von einem privaten Anbieter übernommen und arbeitet seit Herbst 2001 mit diesen so genannten Callbikes. 9.500 Kunden haben sich registerieren lassen, 56.000-mal waren die Räder im Einsatz. Ob sich das bislang auch finanziell rechnet, mag Bahnsprecher Fuhrmann nicht sagen. Doch auch wenn das Projekt vorrangig neue Kunden auf die Schiene bringen soll, soll es kein Minusgeschäft werden.

Probleme mit Vandalismus oder Diebstahl fürchtet Fuhrmann nicht. Die Räder stünden an belebten Kreuzungen, zudem würden die auffälligen farben Diebe abschrecken. Ob sich das bewahrheitet, soll sich bei der regelmäßigen Wartung zeigen. „Im Extremfall blasen wir es wieder ab“, sagt Fuhrmann. Die Erfahrungen aus München sollen zu solchen Befürchtungen aber keinen Anlass geben.

Wer eines der mit elektronischen Schlössern gesicherten Räder entleihen will, muss sich als Kunde registrieren lassen, ruft eine Nummer an, die auf dem Schloss steht, und tippt seine Kundennummer ein. Ein Sprachcomputer der Bahn gibt dann den Code für das Schloss durch. Wer seine Handynummer speichern lässt, kann sich die Eingabe der Kundennummer sparen. Die Anmeldung ist möglich unter 08 00-5 22 55 22, über www.callabike.de oder über die „Fahrradstation“, Kooperationspartner der Bahn mit Filialen am Bahnhof Friedrichstraße, Hackesche Höfe, Bergmannstraße, Auguststraße und Leipziger Straße.

Zum Start des Projekts stellt die Bahn heute auf dem Wittenbergplatz zwischen 11.30 Und 15.30 Uhr 200 Räder auf. Testen lassen sie sich auch bei vier Touren, die die Partnerfirma Fahrradstation bis zum 11. August mittwochs bis sonntags um 11 Uhr (außer heute) und 19 Uhr anbietet. Start ist am Hackeschen Markt, Postdamer Platz, Schlossplatz und am Fernsehturm.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen