: Bremer Kammer-Kultur
Kulturstaatsminister Nida-Rümelin belobigt das kulturelle Engagement der Bremer Handelskammer und warnt gleichzeitig davor, den Staat aus der Verantwortung zu entlassen. Eine erste Bilanz der „Kulturbörse“ liegt vor
„Sehr faszinierend.“ Hohes Lob aus hohem Mund erfreute gestern die Verantwortlichen der Bremer Handelskammer im Schütting. Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin erkannte im kulturellen Engagement der hiesigen Unternehmensvertretung etwas „möglicherweise Modellhaftes“.
Dann folgte die Warnung: Der Satz, „Wirtschaft, übernehmen Sie“ beschreibe einen Irrweg. Der Staat dürfe sich aus seiner Verantwortung für die Kultur keineswegs zurückziehen – denn ein solcher Paradigmenwechsel bedeute das „Ende des Kulturstaats“.
Kein Kulturstaat ohne Staatskultur, muss man daraus wohl folgern. In der Tat bemüht sich Nida-Rümelin seit Amtsantritt um Projekte wie die Bundeskulturstiftung – von der in Bremen bereits die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), das Frauenkulturlabor „Thealit“ und die Kunsthalle mit ihrer geplanten Archivedition von Videokunst profitieren. Von den Ländern wird die Bundeskulturarbeit allerdings kritisch beäugt. Seitenhieb Nida-Rümelins: „Hier könnte Herr Scherf noch ein Scherflein beitragen, um die Haltung der Länder zu erläutern.“
Uneingeschränkte ministerielle Zufriedenheit aber ruht auf der Bremer Handelskammer. Deren kulturelles Glanzlicht: Die im Juni im Schütting veranstaltete „Kulturbörse“ mit 70 Einrichtungen aller Sparten und Hunderten von Unternehmen, resümierteKammer-Geschäftsführer Uwe Nullmeyer. Laut Kammer-Umfrage erklärten 90 Prozent der Kultureinrichtungen, ihre Erwartungen seien „erfüllt“ oder gar „übertroffen“ worden. 80 Prozent knüpften demnach neue Kontakte zur Wirtschaft und immerhin jede sechste Einrichtung habe während oder nach der Börse Kooperationspartner für ein Projekt gefunden.
Erfolge hat die Kammer auch überregional: Der in Bremen seit drei Jahren aktive „Arbeitskreis Kultur – Wirtschaft“ (besetzt mit jeweils sechs VertreterInnen beider Bereiche) macht bundesweit Schule. Gerade hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (unter bremischem Vorsitz) einen AK „Kultur als Standortfaktor“ gegründet. Man wolle Kultur benutzen, um Bremen für Firmen und private Zuzügler attraktiver zu machen, sagt Bernd Hockemeyer, Vizepräses der Kammer. Aber: „Kultur lässt eine ausschließliche Reduzierung auf ihren Wert als wirtschaftlicher Standortfaktor nicht zu.“
Das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Ansprüchen führt unweigerlich zu der Frage, welche Art von Kultur wirtschaftlich verwertbar ist und ob nur solche langfristig gefördert werden wird. Die substantielle Einbeziehung der Handelskammer in die Bremer Kulturpolitik spiegelt sich jedenfalls seit kurzem in einem Beschluss der Kulturdeputation: Sie hat der Kammer den Status eines „ständigen Gastes“ eingeräumt.
Henning Bleyl
Ein Bericht über die Podiumsdiskussion zwischen Nida-Rümelin und Bremer KulturvertreterInnen zum Thema „Kultur und Wirtschaft“ folgt morgen
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