unterm strich:
Sag mir, wie du’s mit der Kultur hältst, und ich sage dir, ob du wählbar bist. So oder ähnlich sieht das wohl der Deutsche Kulturrat, der gerade Edmund Stoiber aufgefordert hat, doch bitte mal seinen Kandidaten für das Amt eines Kulturstaatsministers im Falle seines Wahlsieges zu benennen. „Wer wird für dieses hochrangige Amt in Ihr Kompetenzteam berufen?“, fragt der Spitzenverband der Bundeskulturverbände spitz in einer Pressemitteilung. Der Verband hatte schon vor einiger Zeit allen im Bundestag vertretenen Parteien „Wahlprüfsteine“ vorgelegt, auf die es auch eine Antwort der Union gab. Ihr Ziel sei es, „Kunst und Kultur zu fördern und zu stärken und die Rahmenbedingungen, unter denen sie entsteht, zu verbessern“, hieß es damals. Klar, dass diese Antwort dem Kulturrat ein wenig zu allgemein klang und er sich deshalb von der Benennung einer Person auch eine deutlichere Perspektive der Konturen der Kulturpolitik erhofft, die man von einer künftigen Unionsregierung erwarten darf. Und neugierig darf man ja sein.
Kulturelle Kompetenz kann man aber auch anders demonstrieren als mit einem Amt. Etwa indem man das neue Kanzleramt auch als Kunstsalon für Ausstellungen zeitgenössischer Künstler nutzt und damit ganz nebenbei auch als Vitrine für beiläufige politische Botschaften. Helmut Schmidt begründete diese Tradition einst im Kanzleramt Bonn, sein Nachfolger setzt sie am neuen Ort nun fort: und zwar mit einer Präsentation von über 70 Arbeiten, die allesamt von Künstlern aus Ostdeutschland stammen – vom 73-jährigen Landschaftsmaler Fredo Bley bis zum 38-jährigen „Popkünstler“ Moritz Götze. Staatsminister Rolf Schwanitz, der bei der rot-grünen Bundesregierung für den Aufbau Ost zuständig ist, hatte sich dafür stark gemacht, dass zuerst Ostdeutsche die Chance im Kanzleramt bekommen: Sie fühlen sich nach eigenem Bekunden vom westdeutschen Kunstbetrieb vernachlässigt. Dabei, so betonte Ausstellungskurator Waldemar Müller bei der Eröffnung, belegten die von ihm ausgewählten Arbeiten doch nachdrücklich, dass sich die Kunst in den neuen Ländern seit dem Mauerfall „zu einer vielgestaltigen Szene“ entwickelt habe. Müller forderte das Haus der Geschichte und die Bundeskulturstiftung auf, sich mehr als bisher der Künstler aus den neuen Ländern anzunehmen. Die Ausstellung im Kanzleramt ist dessen Gästen sowie Besuchergruppen zugänglich: Allein zum nächsten Tag der offenen Tür wird mit 30.000 Besuchern gerechnet, die sich vom Geschmack des Bundeskanzlers ein Bild machen können.
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