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NachgefragtBürgertelefon – was bringt es?

Nachbars Rache? Nicht prüfbar

Seit dem 1. März gibt es in Bremen ein Bürgertelefon gegen illegale Beschäftigung – Vorbild für das umstrittene Bürgertelefon gegen Sozialhilfemissbrauch, das in Bremen bisher nur CDU-Idee, in Bremerhaven allerdings schon realisiert ist. Was so ein Telefon bringt, wer anruft und was die davon halten, die die Hinweise entgegennehmen, dazu antwortetWilfried Helmbrecht von der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Arbeit (GEA).

taz: Gibt es schon eine erste Bilanz des Bürgertelefons?

Wilfried Helmbrecht: Seit dem 1. März sind hier 173 Hinweise eingegangen.

Wieviele haben sich als stichhaltig erwiesen?

Das kann ich noch nicht beantworten, weil es doch immer eine gewisse Zeit dauert, bis sich ein Verdacht erhärtet.

Wieso dauert das?

Wenn man sofort zugreifen würde, kann es sein, dass Verdächtige sich zunächst mit Scheinargumenten herausreden. Wenn sie präpariert sind, sagen sie, sie seien gerade mal gebeten worden, mit anzufassen. Die Gerichte fordern aber, dass wir das Ganze eine gewisse Zeit beobachten.

Sollte die GEA nicht zumindest soviel Fälle aufdecken, dass sie sich selbst trägt?

Für die uns angegliederte Ermittlungsgruppe Schwarzarbeit stand die Frage im Raum, denn in Neuss, das in dieser Sache als Vorbild dient, wurde dieses Argument betont. Ich persönlich finde es fraglich, die Überwachung des Gesetze-Einhaltens damit zu rechtfertigen, dass es sich lohnt. Es gibt Delikte, die sich in diesem Sinne nicht rechnen und dennoch verfolgt werden müssen.

Was für Leute sind das, die bei Ihrem Bürgertelefon anrufen?

Überwiegend kommen sie aus dem privaten Bereich. Es kann auch sein, dass eine Firma eine Konkurrentin beschuldigt. Oder Betriebsräte oder Arbeitnehmer in einem Betrieb, die feststellen, der Chef beschäftigt da noch eine andere Truppe.

Nehmen Sie auch anonyme Hinweise an?

Ja. Es gibt berechtigte Gründe, seinen Namen zu verschweigen – beispielsweise wenn man Repressalien fürchtet.

Aber anonym ist es doch das Einfachste der Welt, andere anzuschwärzen.

Wir können nicht nachprüfen, ob es sich beispielsweise um nachbarliche Rachsucht handelt. Sicher wäre es möglich. Wir aber haben einen solchen Missbrauch des Bürgertelefons bisher nicht festgestellt.

Moralische Probleme, dass mancher Anrufer möglicherweise weniger ehrenwerte Motive als die Verfolgung von Gesetzesverstößen hat, gibt es bei der GEA nicht?

Habe ich bisher nicht wahr genommen. Wir bemühen uns immer um Namen und Adresse der Anrufer. Und es kommt auf den Inhalt des Anrufs an: ob ein Sachverhalt plausibel scheint oder nicht. Es geht um den Arbeitsmarkt und darum, Delikte wie Abgaben- oder Steuerhinterziehung zu minimieren. Ich finde nicht, dass jemand, der sich wegen eines persönlichen Vorteils illegaler Mittel bedient, eines besonderen Schutzes erfreuen dürfte.

Fragen: Susanne Gieffers

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