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Fohlen laufen wie die Hasen

Die Bayern haben den „besten Kader aller Zeiten“ und mühen sich in Mönchengladbach zum 0:0. Alle schauen auf Michael Ballack und sind sich einig, dass Zè Roberto noch schwächer spielte

vom Bökelberg BERND MÜLLENDER

Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen. Was ist anders? Was wird? Was kann? Und warum nicht? Erst mal bleibt alles beim Alten: Vom besonders schweren zweiten Jahr ist hier die Rede, und von der Pflicht, Meister zu werden, dort. Die Bayern sind die Topinvestoren der Liga, weshalb der US-Fernsehsender CNN sie „BUY-ern Munich“ nennt. Ihr Fast-Weltmeister Thomas Linke spielt wie gehabt die meisten Querpässe der Liga. Im Stadion sind die immer gleichen falschen Abseitsempörungsreflexe geblieben, die farbig gekleideten Referees heißen immer noch schwarze Sau. Gladbachs Steffen Korell grätscht sich schon wieder zum Gelbkönig der Liga.

Nach den engagierten 90 Minuten Grätschfußball mit einem halben Dutzend Chancen auf beiden Seiten produzierten alle die gewohnten Texte. Jeder habe „für jeden gekämpft“ (Gladbachs Korzynietz), es war „ein gutes“ (van Hout), „ein attraktives“ (Ballack) Spiel, bei dem das Unentschieden „schon okay geht“ (Heimkehrer Marcel Ketelaer). Borussen-Trainer Hans Meyer vermeidet immer noch Liga-exklusiv die beliebten Satzhülsen, Kollege Ottmar Hitzfeld sieht „den absoluten Siegeswillen“, auch wenn er nur zeitweilig sehr relativ war.

Die einen bleiben die traditionell gehassten Lederhosen, auch wenn für Oliver Kahn diesmal die Pfeifkonzerte ausblieben, mit denen er sich sonst in WM-Form bringt. Aber auch in der Stille blieb sich der prominenteste WM-Endspielverlierer treu: Mitte der zweiten Halbzeit ließ er wie in Yokohama einen leichten Ball abprallen, zu seinem Glück war gerade kein Ronaldo in der Nähe.

Die anderen nennen sich, auch wenn sie beim 90-minütigen „Versuch, die Bayern zu neutralisieren“ (Hans Meyer), wie Ackergäule den schlechtesten Augustrasen der Bundesligahistorie zerfurchen, immer noch Fohlen. Nur Münchens Manager Uli Hoeneß sah einen Artenwechsel: „Die sind gelaufen wie die Hasen.“

Allerdings waren – auch nichts Neues – die Neuen viel beachtet. Alle Augen fokussierten immer wieder den Vierfachzweiten des Vorjahres Michael Ballack, Bayerns Topeinkauf vom Konkurrenten Leverkusen. Spielte er, wohlwollend gemeint, „schon wie ein Feldherr“ (Manager Uli Hoeneß), dem, militärisch merkwürdig, „nur noch ein Taktstock fehlt“? Eher war er ein braver Mittelfeldsoldat, ein bemühter Fähnrich im ungewohnten Bataillon. Ist Ballack so wertvoll wie Zinedine Zidane, was kühn schon Coach Hitzfeld behauptet hatte? Höchstens, wenn der Trainer den WM-Zidane meinte.

Als deutscher Zizou hatte Ballack schon nach 15 Minuten drei auffallend eklatante Fehlpässe Richtung Giovane Elber gespielt. Am Ende waren es sieben. Zwei, die offensichtlich noch nicht wissen, was der andere will. Später spielte Ballack manchen Fehlpass auch an anderen Mitspielern vorbei, arbeitete allerdings hinten oft instinktiv routiniert. Große Szenen nach vorn verhinderte der grottenstarke Gegenspieler Markus Hausweiler, eine Art Kärcher unter den Staubsaugern. Oliver Kahn meinte, Ballack habe „seine Sache gut gemacht“, der Trainer hatte „viele Ballkontakte“ gezählt. Was man halt so sagt zum Mittelmaß des Spiels.

Immerhin, im Vergleich zu Zè Roberto spielte Ballack stark. Der brasilianische Nichtweltmeister (Hitzfeld: „Noch nicht richtig fit“) fiel nur mit einem kuriosen Pfostenkullerball und seiner Auswechslung auf. Augenscheinlich haben es die Bayern versäumt, dem Balltänzer die kongenialen Spielkameraden Placente und Bastürk hinzuzukaufen, mit denen er in Leverkusen gemeinschaftlich so großartig Schabernack auf der linken Seite getrieben hatte.

Am Nachmittag der Parallelen und Veränderungsarmut ähnelte auch das Spiel selbst dem Auftaktmatch vor genau einem Jahr, als die Borussia 1:0 siegte und sich die Bayern ähnlich quälten. Doch Borussias Vorjahres-Torschütze Arie van Lent liegt mit gerissenen Kniebändern im Spital. Vielleicht ist Bayerns Punktgewinn aber doch im „besten Kader, den der FC Bayern jemals hatte“ (Franz Beckenbauer), respektive dem „besten Kader, den wir je hatten“ (Kalle Rummenigge) begründet.

Wird Bayern also Meister? Wenn es kein anderer wird: ja. Der breitbrustige und zunehmend tiefbäuchigere Uli Hoeneß sah nach der Nullnummer nur ein Problem: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass andere gegen uns 110 Prozent bringen.“ Als wäre das neu.

Borussia Mönchengladbach: Stiel - Eberl, Korell, Strasser, Münch - Hausweiler, Kluge, Ulich (67. Ketelaer) - Korzynietz, van Hout (77. Witeczek), van Houdt (80. Aidoo) Bayern München: Kahn - Sagnol, Robert Kovac, Linke, Tarnat - Salihamidzic, Ballack, Jeremies, Ze Roberto (67. Zickler) - Scholl (75. Hargreaves) - Elber (80. Pizarro) Zuschauer: 34.500

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