: Anpacken für den Wahlkampf
Das Konzept der Hartz-Kommission lässt momentan noch viele Fragen offen. Bei der Präsentation am Freitag kann es noch Überraschungen geben
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Es ist Wahlkampf, nur für Peter Hartz nicht. Der Vorsitzende der Reformkommission für den Arbeitsmarkt hat es immer wieder beschworen: „Unser Programm ist ein Programm für jede Regierung.“
Dass kein Wahlkampf ist – das ist mitten im Wahlkampf so unwahrscheinlich, dass es ein möglichst mächtiges Symbol der Einheit braucht. Auf der Suche nach geeigneten Orten stieß Hartz auf den Französischen Dom in Berlin. Da also soll es am nächsten Freitag zum öffentlichen Schwur kommen. In einer Zeremonie will die Kommission „ihre Bitten an alle gesellschaftlichen Gruppen verteilen“, so hat es Hartz angekündigt.
Doch wer wird kommen? Die FDP wahrscheinlich nicht. Ihr Fraktionsvorsitzender im Bundestag, Wolfgang Gerhardt, findet, dass die „Hartz-Kommission mittlerweile nichts anderes ist als eine PR-Inszenierung“. PR für die Bundesregierung, versteht sich. Und auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hat nicht vor zu erscheinen: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir uns an Parteiveranstaltungen der SPD beteiligen.“
Doch wer immer kommen wird, um sich von der Aura des Klassizismus und der Aufklärung im Französischen Dom umfangen zu lassen – er muss wohl die Lust an der Überraschung mitbringen. Hartz nennt es zwar nur „redaktionelle Fleißarbeit“, was bis Freitag noch in die rund 200 Seiten des Kommissionsberichtes hineinzuschreiben ist. Aber zumindest für das Publikum sind viele Fragen offen. Etwa diese: Muss man sich als Arbeitsloser für die neuen staatlichen Leiharbeitsfirmen zur Verfügung stellen – oder ist das freiwillig?
So wichtig die „gesellschaftlichen Gruppen“ für Hartz sind – eine hat er lange ignoriert: die Frauen. Im Juni streute er eine erste Fassung seiner 13 Arbeitsmarktmodule an die Presse. Und es erstaunte das traditionelle Familienbild. Ganz selbstverständlich galt nur der „Familienvater“ als Ernährer. Er sollte vorrangig vermittelt werden. Ein Vorschlag lautete daher: „Jeden Montag erhalten der Leiter des Arbeitsamtes und der Vorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit eine Liste der arbeitslosen Familienväter.“ Von Alleinerziehenden war gelegentlich die Rede. Aber dass auch verheiratete Frauen wesentlich zum Familieneinkommen beitragen könnten: Dieser Gedanke kam nicht vor. Kein Wunder, waren in der Kommission doch 14 Männer und nur eine Frau vertreten.
Doch Hartz und seine Mannen haben gelernt, der Protest blieb nicht ungehört. Jetzt, so ist aus Kommissionskreisen zu erfahren, sollen alle „Einzelbausteine“ einer „Genderprüfung“ unterzogen werden. Und eine Statistik wird erfassen, wie oft die Arbeitsvermittlung einer Mutter scheitert, weil es keine Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder gibt. Gemeinsam mit den Gemeinden sollen die Job-Center dieses Problem lösen. „Das ist wirklich hoffnungsvoll“, so Ver.di-Vizechefin Margarete Mönig-Raane gestern zur taz. „Großes Lob an die Kommission“, ergänzte sie. Das sollte Hartz etwas bedeuten, auch mitten im Wahlkampf, denn noch letzte Woche hatte Mönig-Raane seine früheren Vorschläge als frauenfeindlich kritisiert.
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