: Klassiker nicht zu bekommen
Am 22. August startet das 5. Tangofestival Hamburgs. Das 3001 beginnt schon jetzt mit seiner kleinen begleitenden Filmreihe – „Tango“, „Sur“ und „Tango Lesson“
von KNUT HENKEL
Alte Tango-Filme, Klassiker mit Carlos Gardel und Co., hätte Jan Fangmeier vom 3001 gerne anlässlich des 5. Jubiläums des Internationalen Tangofestivals Hamburgs gehabt. „Aber die Auswahl bei den deutschen Verleihern ist ausgesprochen dürftig“, klagt der Verantwortliche für die kleine Tango-Reihe. Drei Filme sind es nun geworden, die vor, während und nach dem Festival laufen. Die Streifen sind so verschieden wie die Genres einer Musik, die der Tango-Komponist Enrique Santos Dicépolo einst als „trauriges Gefühl, das man tanzt“ definierte.
Den Auftakt bildet Tango von Carlos Saura, einer der persönlichsten Filme des spanischen Regisseurs. Saura verwebt Teile seiner eigenen Biografie mit dem Schicksal seines traurigen Helden Mario Suarez. Der versucht die Trennung von seiner Frau durch die Inszenierung eines gewaltigen Tango-Spektakels zu verarbeiten. Das Geld für die Realisierung der Bühnenshow bezieht Suarez, der selbst wegen eines Beinleidens nicht mehr tanzen kann, vom Clubbesitzer Angelo Larroca. Der will mit der Finanzierung des Tango-Spektakel seiner jungen Geliebten Elena einen Gefallen tun. Die spielt die Hauptrolle in der Bühnenshow und ist eine exzellente Tänzerin. Das findet auch Mario Suarez. Der alte lahme Tänzer, der sein Leben dem Tango gewidmet hat, verliebt sich in die Geliebte seines Hauptsponsors.
Saura schildert den kreativen Prozess, den Suarez während der Vorbereitung des Festivals durchläuft und all die Traurigkeit, die den alten einsamen Mann prägt. Der hat längst die Hoffnung aufgegeben, sein Glück zu finden. Anhand der Lebensgeschichte von Mario Suarez zeichnet Saura nicht nur die Entwicklung des Tangos, sondern auch ein Teil der argentinischen Geschichte. Für die Folter von Oppositionellen während der Militärdiktatur der 70er Jahre hat Saura ein simples, aber effektvolles Bild gefunden – das eines leeren Stuhls im gleißenden Scheinwerferlicht.
Politisch wesentlich expliziter ist Sur, das Meisterwerk Fernando Solanas. Sur setzt am Ende der argentinischen Militärdiktatur 1983 an und schildert die Rückkehr von Floreal aus den Gefängnissen und Lagern im Süden des Landes. Fünf Jahre hatte die Diktatur den Oppositionellen weggeschlossen, gequält und gepeinigt, und seine Rückkehr nach Buenos Aires ist eine Rückkehr in eine andere und doch vertraute Welt. Jede Straßenecke birgt Erinnerungen an die Vergangenheit. Ruhelos treibt Floreal auf der Suche nach Orientierung durch die Millionenmetropole.
Es ist die Zeit des politischen Umbruchs, alles ist neu, anders. Die Gesichter, Lokale, Geräusche der Stadt, und selbst das Bandoneon und mit ihm der Tango klingt nicht mehr wie zuvor, bietet nicht die erhoffte Sicherheit. Die einzige intensive Nacht, die Sur beschreibt, ist das Resümee eines ganzen Lebens – bitter, teilweise heiter und geprägt von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Für den Regisseur ist sein Film ein einziger langer Tango – intensiv, ästhetisch und zutiefst emotional – aber eben auch politisch.
Letzteres geht Tango Lesson vollkommen ab. Der von Sally Potter in Szene gesetzte Film ist ein reiner Tanzfilm und die Geschichte banal. Eine Filmregisseurin und ein Tangotänzer schließen einen Deal: er bringt ihr das Tanzen bei und sie macht ihn im Austausch zum Filmstar. Im Mittelpunkt des Films steht damit der Tanz und dessen Inszenierung als Ereignis, wobei Potter des Öfteren am Rande des Kitsches entlangschrammt. Ein Film, der ausschließlich von seinen Tanzszenen lebt und von der Tanzkunst der Darsteller. Ein etwas schlapper Abschluss der kleinen Tango-Reihe, aber Tango-Klassiker sind hierzulande eben kaum zu bekommen.
Tango: heute und morgen; Sur: Do, 22. + Fr, 23.8.; Tango Lesson: 26.–28.8., je 18 Uhr, 3001; Tangofestival siehe www.tangofestival-hamburg.de
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