: Platz da für den Strom
Stromaufwärts von Geesthacht kann sich das Wasser der Elbe in weitläufigen Auen verlaufen. Naturschützer verlangen weitere Rückdeichungen und einen naturnahen Fluss. Überschwemmungen könnten gefährliche Schadstoffe nach Hamburg spülen
von GERNOT KNÖDLER
Der Elbebadetag am 14. Juli, mit dem ein allmählich lebendig werdender Strom gefeiert wurde, könnte für einige Zeit der letzte gewesen sein. Wenn in Sachsen und Sachsen-Anhalt die Deiche brechen, wird der Fluss oberflächlich sanierte Industriegebiete überfluten und einen Cocktail aus Schwermetallen und giftigen Kohlenwasserstoffen aus den Böden schwemmen. Das könnte die Bemühungen um eine Verbesserung der Wasserqualität um Jahre zurückwerfen, befürchtet Heinrich Reincke von der in Hamburg ansässigen Wassergütestelle Elbe. Mit etwas fragwürdigem Glück spült der angeschwollene Strom einen großen Teil davon durch den Hafen weiter in die Nordsee.
Zwar müssen auch wir uns auf den Anblick kieloben treibender Fische einstellen, dennoch profitieren die Elbanlieger stromaufwärts von Lauenburg vom oft naturnahen Zustand der Elbe. Über weite Strecken ist der Strom von weitläufigen Vordeichflächen gesäumt, die regelmäßig überflutet werden. Ein Teil davon steht unter Naturschutz und ist Teil eines länderübergreifenden Biosphärenreservats der UNESCO, das die Kulturlandschaft des Elbetals erhalten soll.
Bernhard Schürmann, der für die Hochwasserwarnungen im Abschnitt oberhalb von Geesthacht in Niedersachsen zuständig ist, freut sich über die Weisheit unserer Altvorderen. „Die Elbtalaue wurde von den Preußen 1905 als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen“, sagt er. Das bebaute Gebiet rückte damit einige Hundert Meter vom Strom ab. Für das Wasser entstand ein gewaltiger Stauraum.
Jörg Dürr-Pucher von der Deutschen Umwelthilfe möchte daran anknüpfen. Um den heftigen Regenfällen mit daraus resultierenden Hochwassern künftig besser begegnen zu können, müssten schnell naturnahe Überschwemmungsflächen entlang der Flüsse und Bäche geschaffen werden. „Wir müssen jetzt große Rückdeichungen machen“, verlangt Dürr-Pucher. Die Reaktion auf die Häufung von „Jahrhunderthochwassern“ dürfe sich nicht in der Erhöhung von Deichen erschöpfen, sagte er der taz hamburg.
Jeden Tag verschwänden 120 Hektar Land unter Asphalt und Beton – eine Fläche, so groß wie 240 Fussballfelder. Das Wasser, das nicht versickern kann, landet am Ende in den Flüssen, die so in kurzer Zeit stark anschwellen können. Ein Umdenken sei hier ebenso gefordert wie beim Klimaschutz. Ein weiterer Ausbau der Elbe zur Bundeswasserstraße komme nicht in Frage.
An Rückdeichungsprojekten mangelt es nicht. Mehrere Naturschutzverbände wollen zum Beispiel bei Schnackenburg 450 Hektar neue Elbtalaue schaffen. Was daraus wird, ist offen.
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