: sommerkrimi
Folge 25
Der Mann vor ihm machte eine beruhigende Geste, sagte aber nichts. Die Hände glitten geschickt an seinem Körper herunter, betasteten sämtliche Nischen seiner Kleidung, öffneten die Schuhe, zogen sie ihm von den Füßen. Schließlich fuhren sie ihm unters Hemd, in die Hose, sogar von unten in die Hosenbeine.
„Clean, Chef. Der Typ ist clean.“
„Gut, Boris. Dann verzieh dich jetzt.“
Der rotblonde Mann setzte sich George gegenüber.
„Mein Name ist Dembinski. Wassili Dembinski.“
„George.“
„Tut mir Leid. Wir haben die ganze nähere Gegend gründlich abgecheckt. Hat seine Zeit gebraucht. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, soll mal ‘n großer, toter Russe gesagt haben.“
„Ich bin allein gekommen. Mit den Bullen habe ich schon gar nichts am Hut.“ Dembinski musterte George ruhig und ohne Eile, dann entgegnete er: „Für einen V-Mann bist du viel zu jung, mein Freund. Hab ich gleich gesehen. Trotzdem musste ich vorsichtig sein. Zur Sache, man sagte mir, du hast etwas anzubieten?“
„Ja ...“
George wollte zu weiteren Ausführungen ansetzen, aber Dembinski ruckte plötzlich vor, hob energisch die linke Hand und blitzte ihn mit seinen wässerig-blauen Augen an.
„Ich weiß Bescheid, Junge. Sag mir nur noch wie viel.“
„Vier Kilo.“
„Bist du sicher, dass das niemand vermisst?“
„Da bin ich mir ganz sicher.“
Tatsächlich hatte George das nicht herausfinden können. Er musste einfach was riskieren. Lennie und er würden inzwischen mit Sicherheit gesucht. Sie konnten nicht ewig mit dem Dreck herumstolzieren.
„Nun gut. Wo kommt das Zeug her?“
„Spielt keine Rolle.“
„Woher weißt du, mein Junge, was eine Rolle spielt?“
„Kommen wir ins Geschäft, oder nicht?“
„Langsam, langsam, die Angelegenheit ist nicht ohne Risiko für mich. Kannst du das begreifen?“
Wassili Dembinski bluffte nur zum Teil. Er war genauestens darüber informiert, dass seinen Konkurrenten kein Material in dieser Menge abhanden gekommen war. Aber auch er konnte sich nicht erklären, wie an allen bekannten Adressen vorbei eine solche Menge Stoff in die Stadt gekommen sein sollte. Wenn das diese Mullahs waren, die würden doch keinen Milchbubi schicken, um ausgerechnet ihm das Zeug anzubieten.
„Nur der Tod ist ohne Risiko.“
„Nicht schlecht gekontert! Wenn auch nicht ganz neu, der Spruch.“
Dembinski lachte, ihm begann das Spielchen Spaß zu machen.
Er zog einen Notizblock aus der Tasche und schrieb: Ich biete 50.000. Dann schob er ihn zu George hinüber. Laut sagte er: „Natürlich gehe ich davon aus, dass die Ware in Ordnung ist.“
George schrieb zurück: Zu wenig. Der Marktwert liegt bei mehr als einer halben Million.
Dembinski lächelte jetzt, ließ sich Zeit mit der Antwort. „Auf dem Weg dorthin müssen viele Mäuler gestopft werden, mein Freund.“
Er griff sich den Block:
60.000
George zeigte sich ungerührt.
Euro?
Dembinski lachte erstaunt und schüttelte den Kopf.
70.000 letztes Angebot.
George nahm wieder den Block.
Glaube ich nicht.
Dembinski lachte lauthals.
„Bist ein witziges Kerlchen, das gefällt mir!“
Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus
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